Die Hamas-Taten des 7. Oktober

Human Rights Watch zieht im Bericht ein eindeutiges Fazit: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Aus Tel Aviv Lisa Schneider

Etwa neun Monate nach dem Angriff militanter Palästinenser auf Südisrael am 7. Oktober veröffentlicht die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) einen detaillierten Bericht über die von den Militanten damals begangenen Verbrechen. Das Fazit ist eindeutig: Die Gruppen, so HRW, hätten multiple Verstöße gegen das internationale Recht begangen, unter anderem gezielte Angriffe auf Zivilisten, grausame Behandlung sowie die Gefangennahme von Geiseln.

Nun fragen sich viele in Israel: Dafür hat die Organisation mehrere Monate gebraucht? Die Kritik, dass HRW sich propalästinensisch positioniere, erhebt Israel immer wieder.

Tatsächlich offenbart der Bericht keine grundlegend neuen Fakten, doch er fasst ausführlich zusammen, was HRW über den Angriff am 7. Oktober anhand vieler Zeugen und Experten zusammengetragen hat.

So geht HRW etwa im Detail auf die Frage ein, wer von palästinensischer Seite an dem Angriff beteiligt war. Die Attacke sei organisiert und lange im Voraus geplant gewesen. Nicht nur von der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad, über deren Teilnahme hinlänglich berichtet wurde.

Insgesamt waren laut HRW fünf bewaffnete Gruppen beteiligt: die Qassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, und die Quds-Brigaden, die dem Palästinensischen Islamischen Dschihad angehören. Außerdem waren der bewaffnete Arm der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas beteiligt, die Omar al-Qasim-Brigaden, sowie die Abu Ali Mustafa-Brigaden der Volksfront für die Befreiung Palästinas und die früher der Fatah zugehörigen Aqsa Märtyrer-Brigaden.

Das Training für den Übergriff erfolgte gemeinsam, schreibt HRW. Die Gruppen waren Teil eines „gemeinsamen Kommandozentrums“, trotz sonstiger politischer Differenzen. Zivilisten aus Gaza, die keiner der bewaffneten Gruppen angehören, hatten sich laut HRW an den Übergriffen beteiligt.

Die von der Nachrichtenagentur AFP veröffentlichten Opferzahlen hat HRW gegengecheckt. Sie kommen auf die gleiche Zahl: Genau 1.195 Tote, davon mindestens 282 Frauen und 36 Kinder, sowie 79 Staatsbürger anderer Länder. Von den 1.195 Toten seien 815 Zivilisten.

Im Rahmen der Erstellung des Berichts schickte HRW auch einen Fragenkatalog an die Hamas. Die antwortete mit einem langen Brief, in dem sie angab, Hamas habe sich an das internationale Recht gehalten. Die hohe Zahl von getöteten Zivilisten schiebt die Gruppe auf „Menschen, die mit palästinensischen Gruppen, die nicht Teil der Militäraktion waren“, mitgegangen seien. Dies habe den Plan, eine Operation gegen militärische Ziele durchzuführen, verändert. HRW weist diese Erklärung zurück und hält fest, dass Hamas-Kämpfer bei Weitem den größten Anteil unter den einfallenden Militanten ausmachten.

Der Bericht von HRW geht außerdem auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs und der geschlechtsspezifischen Gewalt durch die palästinensischen Milizionäre ein. Die Organisation selbst konnte nach eigenen Angaben durch Interviews mit Überlebenden des 7. Oktobers keine „verifizierbaren Informationen“ sammeln.

HRW bezieht sich daher auf einen Bericht des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Sexuelle Gewalt in Konflikten aus dem März. Der kam damals zu dem Schluss, dass es „berechtigten Grund zur Annahme“ gebe, dass es zu sexueller Gewalt, Vergewaltigung und Gruppenvergewaltigungen gekommen sei.