Studie zu Paketlieferanten: Linke für Verbot von Subunternehmen
Lange Arbeitstage, miese Arbeitsbedingungen – eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung blickt auf die Situation von Paketzusteller*innen.
Cezanne fasste damit das Fazit der Studie und des Abends zusammen: Die Arbeitsbedingungen der rund 130.000 Lieferant*innen von Amazon, DHL Express und Co. können nur verbessert werden, wenn sie direkt und sozialversicherungspflichtig bei den Auftraggebern angestellt werden und Subunternehmen abgeschafft werden.
Rund 40 Pakete bekommt jeder Mensch in Deutschland pro Jahr nach Hause geliefert. Die Coronapandemie bescherte der Branche einen Boom. Und der wiederum bedeutet: mehr Druck auf diejenigen, die die Pakete zu den Kund*innen bringen. „Treppe rauf, Treppe runter, bis zu 200-mal am Tag. Das ist der Takt der Arbeit, die Paketzusteller*innen den ganzen Tag, oft mehr als zehn Stunden lang, oft sechs Tage die Woche verrichten“, schreiben Arps und Tügel im Vorwort.
Schaffen die Lieferant*innen das Pensum nicht, verlieren sie ihren Job beim Subunternehmen, berichtete Arps am Dienstagabend auf dem Podium. In normalen Arbeitszeiten sei das nicht zu schaffen, oft tragen die Lieferant*innen – meist Männer – die Pakete noch spät am Abend aus.
Wie lang die Arbeitszeiten tatsächlich sind, erfahre man nur in persönlichen Gesprächen mit den Beschäftigen, wie Tina Morgenroth von der Beratungsstelle Faire Mobilität des DGB berichtete. Die Arbeitszeit könne zwar mittlerweile automatisch erfasst, aber weiterhin manipuliert werden: Die Scanner würden erst eingeschaltet, wenn die Autos vom Hof der Paketlager fahren, und ausgeschaltet, sobald das letzte Paket ausgeliefert ist.
Mittagspausen würden automatisch abgezogen, ob sie eingehalten werden oder nicht. Überstunden würden oft nicht bezahlt, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall verweigert. Dennoch: „Die meisten schlucken die Bedingungen, bis der Lohn ausbleibt“, so Morgenroth. Erst dann suchten sie nach Unterstützung.
Warum das funktioniert? Weil die meisten der Zusteller*innen aus dem (osteuropäischen) Ausland kommen, kein oder kaum Deutsch sprechen und ihre Rechte nicht kennen. Und weil sie ohne Sprachkenntnisse und wegen weiterer bürokratischer Hürden keine Chance auf einen anderen Job haben.
Kleine Verbesserungen für die Fahrer*innen sieht das Mitte Juni vom Bundestag reformierte Postgesetz vor. 2025 soll es in Kraft treten. Ein Verbot von Subunternehmen in der Branche hat die FDP jedoch verhindert. Deshalb, so Cezanne, müsse nun wenigstens dafür gesorgt werden, dass alle Fahrer*innen auch bei Subunternehmen sozialversicherungspflichtig angestellt werden.
Dann wäre auch eine gewerkschaftliche Organisierung der Zusteller*innen einfacher, ergänzt Studienautor Jan Ole Arps. Denn: Eine gewerkschaftliche Strategie für den Sektor, der in zig Unternehmen und Subunternehmen zersplittert ist, gebe es nicht. Das müsse sich ändern: „Ich wünsche mir, dass sich bei Verdi eine Taskforce Subunternehmen gründet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“