Israels Streit um die Einberufung: Riss in der Gesellschaft

Die Proteste in Israel gegen den Einzug der Ultraorthodoxen in das Militär sind Ausdruck einer Spaltung, die immer drängender wird.

Ultraorthodoxe Juden liefern sich ein Handgemenge mit der israelischen Polizei, als sie bei einem Sitzstreik gegen die Wehrpflicht in Israel die Autobahn blockieren.

Wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Wehrpflicht: Ultraorthodoxe Juden in Bnei Berak Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Israels Oberstes Gericht hat entschieden: Junge ultraorthodoxe Männer sollen künftig Wehrdienst leisten – so wie fast alle anderen Israelis auch. Die ultraorthodoxe Gemeinschaft wertet das als einen Angriff auf ihre Lebensart und tut mit einer teils gewalttätigen Demonstration in Jerusalem ihren Unmut kund.

Die Demo ist ein Meer von Männern: Die meisten von ihnen mit weißen Hemden, dunklen Anzügen, und Pejes, also Schläfenlocken, die unter ihren dunklen Hüten hervorlugen. Schon optisch sind sie in der israelischen Gesellschaft klar auszumachen.

In fast allen Lebensbereichen spalten sich die Ultraorthodoxen von den säkularen und selbst den religiösen Israelis ab: Manche Gruppen innerhalb der Ultrareligiösen lehnen sogar den Staat Israel an sich ab – obwohl sie in ihm leben. Auf den Protesten ist etwa ein Schild zu sehen, auf dem steht: „Wir werden nicht Teil der Armee des Feindes.“

Die Ultraorthodoxen bleiben unter sich, heiraten untereinander und haben deutlich mehr Kinder als die anderen Bevölkerungsgruppen in Israel. Sie besitzen meist kein Smartphone, sondern als „koscher“ ausgezeichnete Handys, die den Zugang zur Außenwelt stark einschränken. Erst kürzlich warnten etwa Organisationen gegen häusliche Gewalt, dass ihre Hilfshotlines über die koscheren Telefone nicht erreichbar sind. Die Nummern sind ganz einfach gesperrt. Und wer in Jerusalem am Samstag mit dem Auto fährt, weiß die ultraorthodoxen Viertel zu meiden. Biegt man doch falsch ab, fliegen schon mal Steine oder gibt es Beleidigungen.

Vielen säkularen, liberalen und auch religiösen Israelis scheinen die Ultraorthodoxen wie ein Fremdkörper – und umgekehrt ebenso. Dieser tiefe Riss, der sich durch die israelische Gesellschaft zieht, wird mit dem Erstarken und Wachsen der ultraorthodoxen Gemeinschaft immer sichtbarer. Die Proteste gegen ihren Einzug in das Militär sind nur ein Ausdruck einer Spaltung der Gesellschaft, die immer drängender und auch deutlicher sichtbar wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Korrespondentin (ad interim) für Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete. Sonst Redakteurin im Auslandsressort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben