piwik no script img

Kobaltabbau in der DR KongoDer Horror in den Minen

Der Kobaltabbau in der DR Kongo ist das Fundament der globalen Elektromobilität. Siddharth Karas Buch „Blutrotes Kobalt“ ist ein Dokument des Grauens.

Arbeiter im Tunnel einer Kobaltmine Foto: Schalk van Zuydam/ap

Verbrenner sind böse, E-Autos gut – das ist in Deutschland breiter Konsens. Aber wo kommt das Kobalt her, das in den Batterien der E-Autos steckt? „Blutrotes Kobalt: Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum“ von Siddharth Kara enthüllt die Realität – und sprengt unser grünes Gewissen.

Der US-Autor Siddharth Kara, bekannt für Forschungen über moderne Sklaverei, hat sich über mehrere Jahre immer wieder in die Minen von Katanga gewagt, wo Kobalt als Nebenprodukt der Kupferförderung in höheren Konzentrationen vorkommt als irgendwo sonst auf der Welt. Er ist in die Gruben hinabgestiegen, er hat die verstaubte Savanne durchquert, er wurde von Wachleuten schikaniert und von Geschäftsleuten belogen.

Und vor allem hat er unzählige Bergleute befragt, oft unter für beide Seiten riskanten Umständen – manche heimlich, manche flüchtig, viele traumatisiert, viele auf Dauer durch Unfälle geschädigt, viele in unentrinnbaren Schuldenfallen, vergiftete Kinder, todkranke Mütter. Er hat einen fürchterlichen Grubenunfall miterlebt, er hat die unfassbare Trauer derer aufgezeichnet, die ihre Nächsten in den Minen verlieren. Es ist ein Dokument des Grauens.

„Eine Höllenlandschaft aus Kratern und Stollen, bewacht von bewaffneten Irren“ beschreibt Kara seinen ersten Anblick der großen Mine des Bergbaukonzerns KCC. Dann kommt er zum Malosee, wo Frauen Erz aus den Steinen waschen, „eine brackige Wolke aus Schaum“. Sein Übersetzer fragt die Frauen nach dem Wasser.

Das Buch

Siddharth Kara: „Blutrotes Kobalt. Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum“. Aus dem Englischen von Hans Freundl. Harper Collins, Hamburg 2024, 352 Seiten, 26 Euro

„‚Die Mutter sagt, der See sei giftig‘, berichtete er. ‚Sie sagte: Er tötet die Babys in uns. Die Moskitos wollen das Blut der Menschen nicht, die hier arbeiten.‘ “ Kara trifft die 15-jährige Elodie, die in der Mine arbeitet. „Sie war kaum mehr als Haut und Knochen. […] Sie litt an einem fürchterlichen Husten. Ihr schwacher zwei Monate alter Sohn, den sie auf dem Rücken trug, war in ein ausgefranstes Tuch eingewickelt. Sein winziges Köpfchen fiel jedes Mal zur Seite, wenn sie mit dem Pickel auf den Boden hackte.“

Zurück in die Grube

Elodies Vater starb in der Mine, ihre Mutter starb an einer Infektion, Folge des Wassers aus dem See, sie selbst musste sich bei Soldaten prostituieren, um zu überleben, und als ihr Baby geboren war, ging es zurück in die Grube.

„Sie war einem Rudel Wölfe zum Fraß vorgeworfen worden, und zwar von einem System, das so unbarmherzig berechnend ist, dass es ihm irgendwie gelang, ihre Erniedrigung in funkelnde Geräte und schicke Autos zu verwandeln, die in der ganzen Welt verkauft werden. Die Nutzer dieser Geräte würden sich, wenn sie neben Elodie stünden, wie Außerirdische aus einer anderen Galaxie ausnehmen.“

Etwas zu oft bemüht ­Siddharth Kara Parallelen zum „Herz der Finsternis“ der kolonialen Ära, seine Exkurse in die Geschichte sind oberflächlich, sein amerikanisches Pathos funktioniert in der Übersetzung nicht immer, an entscheidenden Stellen sucht man vergeblich präzise Angaben zu Akteuren, Verträgen und Besitzverhältnissen. Es fehlen auch Landkarten sowie Bildmaterial, das Kara auf anderen Kanälen veröffentlicht hat.

Aber Karas Schilderung brilliert trotz dieser Mängel: Er schreibt klar, einfühlsam und bildreich, er macht Zusammenhänge verständlich. Und er sieht mehr als andere Außenseiter. Denn Kara ist indischer Abstammung, und in der DR Kongo sind indische Geschäftsleute überall tätig und politisch unverdächtig. Ein Weißer würde niemals so weit kommen wie Kara auf seinem „Weg, der zur Wahrheit führt“, auf den er die Leser mitnimmt wie auf eine Entdeckungsreise.

Viele undurchsichtige Zwischenstufen

Am Ende versteht man nicht nur das Elend, sondern auch das System. Aus der DR Kongo kommen 70 Prozent des Kobalts der Welt. Die großen Bergbauunternehmen profitieren nicht nur von ihrer eigenen gut regulierten Fördertätigkeit, sondern von der halblegalen Arbeit von Millionen Kongolesen drumherum, die per Hand weitere Erze aus dem Boden graben.

Soldaten organisieren die Knochenarbeit, kongolesische und auch chinesische Zwischenhändler kaufen das Produkt und beliefern über Handelskontore die Konzerne – viele undurchsichtige Zwischenstufen auf dem Weg ins geordnete Geschäft. Mit zigfachem Profit wandern die Erze die Handelskette hoch, bevor sie überhaupt das Land verlassen; für die Bergleute am Ende der Kette bleibt fast nichts.

Modellprojekte für „sauberen“ Kobaltabbau ändern daran nichts, im Gegenteil: durch sie wird die „schmutzige“ Produktion gewaschen, an der im Wortsinne kongolesisches Blut klebt, denn die Minen sind voller verschütteter Leichen.

„Wir arbeiten in unseren Gräbern“, resümiert ein wütender Kongolese. Karas Buch gibt diesen Menschen eine Stimme. Es ist eine Pflichtlektüre für alle, die sich in ihren E-Autos für Weltverbesserer halten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Genau die Sachen hier sind mein Problem mit der Energie- und Verkehrswende- ist sie nötig? Definitiv. Lange überfällig. Aber wie effektiv ist es, wenn wir dafür woanders die Umwelt zerstören sowie Lebensräume von Mensch/ Tier von dem Mangel an Moral hinsichtlich der menschlichen Ausbeutung mal ganz abgesehen. Es ist zu oft Politik nach dem Motto: was ich nicht sehe existiert nicht. Wenn man heutzutage die Kolonialzeit anbringt verdrehen viele die Augen, aber im Grunde hat sich seitdem nicht viel geändert- Menschenleben in Afrika/ Südamerika sind für viele im globalen Norden nichts wert, vor allem nicht wenn man Geld machen will. Moderne Sklaverei- mehr ist das nicht. Und der Kobaltabbau ist ja auch kein Einzelfall- Kupfer aus Südamerika für Windräder, seltene Erden, etc. überall wo man hinschaut müssen andere für unsere Energie- und Verkehrswende den Preis bezahlen. Und wenn der Lebensraum der Menschen dort zerstört ist und sie ihre Heimat verlassen um ein besseres Leben zu finden, lassen wir sie im Meer ertrinken, kriminalisieren sie, Politiker geben ihnen die Schuld für deren Versagen oder wir stecken sie in Lager. Und wir wollen jemanden etwas von Werten erzählen?!

  • Hier wird getan, als ob Kobalt nur für E-Autos abgebaut wird. Kobalt wird für tausende andere Produkte auch benötigt und abgebaut, warum geht dann die Kritik immer gegen das E-Auto.



    Wer gegen Kobalt ist möge jetzt bitte sein Smartphone abschalten.

  • Es ist bedauerlich, daß hier mit Druck auf die Tränendrüse argumentiert wird. Ich bezweifle Herrn Karas Recherchen nicht. Sehr Ähnliches läßt sich über die Förderung , den Transport und die Verarbeitung von Petroleumprodukten finden. Nun rechtfertigt das Eine nicht das Andere. Mit der Abnahme von kobalthaltigen EV-Betterien wird die Nutzung für Telefon- und Laptopbatterien wieder in den Vordergrund treten. Herr Johnson wird da wahrscheinlich nicht berichten. Leider werden solche Artikel gern verwendet, um die Transport- und Energiewende auszubremsen.

    • @Kahlschlagbauer:

      Ausbeutung aufzudecken ist kein "Druck auf die Tränendrüse" und Ausbeutung nicht alternativlos. Es muss nicht die Weltrevolution sein, selbst innerhalb der Marktwirtschaft ist Arbeit möglich, die nicht auf der Rechtlosigkeit der Arbeiter aufbaut. Das war der entscheidende Schritt vom Manchesterkapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft. Dafür braucht es vor allem starke Gewerkschaften, transnational vernetzt, die Arbeitskämpfe am Ort, politische und mediale Vertretung sowie Gerichtsverfahren am Firmensitz organisieren, um nur vier wesentliche Mittel zur Verbesserung der Lage zu nennen.



      Beispiel für den Prozesserfolg: In Malaysia haben bangladeshische Wanderarbeiter vor dem Stammsitz einer Textilfirma in Kalifornien große Entschädigungssummen erklagt und damit die Arbeitsbedingungen verbessert weil es sich für die Firma eher lohnt, höhere Löhne zu zahlen als gigantische Entschädigungen.



      Bsp für den Verhandlungserfolg einer lokalen Gewerkschaft: in Naivasha, Kenia wurden haben sich die Betreiber von Blumenfarmen dazu verpflichtet, den Kindern ihrer Arbeiter den Schulbesuch zu finanzieren.



      Demgegenüber ist die Lage im Kongo pure Ausbeutung und das muss aufgedeckt werden.

  • Wir dürfen nicht vergessen: Unseren Wohlstand haben wir den ausgebeuteten Menschen der 3. Welt zu verdanken.

  • Kobalt wird verwendet für:



    Lithium-Ionen-Akkus, Werkzeuge zum Schneiden, Bohren und Fräsen, Medizintechnik: künstliche Gelenke, Automobilbau: Kurbelwellen, Pleuelstangen, Nockenwellen, Ventilsitzringe, Raffinerien: Katalysatoren zur Entschwefelung von Diesel und Kerosin, Reifen, Flugzeuge: Triebwerke und Turbinen, 3D-Druck, Farben.

    Also die Konzentration der Kritik auf E-Car ist zumindest unvollständig (oder unanständig), zumal bereits „viele E-Auto-Batterien kommen bereits ganz ohne Kobalt aus“



    Quelle: www.enex.me/tv/inf...d-kobalt-verwendet

    • @Karl Theurer:

      Das ist lediglich mal wieder ein Versuch, die e-Auto-Feinde anzutriggern. Wir häufig und gerne gemacht.

      Hier eine kleine Auswahl von Elektrofahrzeugen, deren Batterie KEIN KOBALT enthält: Tesla Model 3 und Y SR+, MG4 Standard, nahezu alle Fahrzeuge von BYD (seit einigen Monate der weltweit größte Elektroautohersteller) und quasi alle niedrigpreisigen Modelle in China.



      Der Einsatz von Kobalt in der Batterie erfordert zusätzlich recht viel Nickel. Beide zusammen sind auf Dauer sehr teuer. Deswegen werden wir in Zukunft noch deutlich mehr Fahrzeuge mit kobalt-freier Batterie sehen. Die ersten Lithium-freien Natriumbatterien sind auch schon in Seriefahrzeugen zu finden.

  • Danke für diesen Artikel

    Was ich nie verstanden habe - Klimaschutz ist doch so sehr in (zurecht)



    Aber gerade wir fahren nun Tretroller und haben jedes zweite Jahr ein neues Handy, nutzen die Serverfarmen von Amazon und co, und bringen es intellektuell nicht fertig, den Zusammenhang zwischen unserer Bequemlichkeit, diesen neuen Arten von Stromfressern, Ressourcenverbrauch seltener Erden und Ausbeutung herzustellen. Stattdessen gehen wir guten Gewissens mit Tretroller und Handy auf die Strasse um für eine bessere Welt zu demonstrieren.

    WTF?!!!

  • Lässt sich das Geschilderte nicht auf viele Dinge übertragen? Auf die Kautschuk-Gewinnung für Autoreifen, Kaffee-Anbau, Ölfelder in Nigeria, Schnitt-Blumenproduktion in Kenia, Soja-Anbau in Brasilien und Argentinien, Palmöl-Plantagen usw. Vielleicht nicht so drastisch, aber das Prinzip ist doch überall dasselbe: Die einheimische Bevölkerung wird ausgebeutet und vergiftet, ihre Lebensräume werden zerstört und auf Dauer unbrauchbar gemacht. Die Gewinne entstehen auf dem Weg zu uns und die Herkunftsländer schauen, bis auf ihre korrupten Eliten, in die Röhre.



    Wir machen uns etwas vor, wenn wir nur einzelne Elemente unserer Lieferketten betrachten. Letzten Endes ist unser Wohlstand auf die Ressourcen-Ausbeutung in anderen Kontinenten aufgebaut. Und wir freuen uns über erschwingliche Produkte, streichen als Aktionäre die Gewinne der Ausbeuter-Konzerne ein, schicken unseren Müll in diese Länder, spenden zu Weihnachten für „Brot für die Welt“ und sind mächtig stolz auf unsere Werte.