Wagenknecht schrumpft Linke zur Ferner-liefen-Partei

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) holt bei der EU-Wahl einen Achtungserfolg, während die Linkspartei ein Debakel erlebt

Von Pascal Beucker

Mit der Prognose um 18 Uhr brandet Jubel im ehemaligen Filmtheater Kosmos an der Karl-Marx-Allee in Berlin auf. Etwa 6 Prozent sind zwar nicht so viel, wie von vielen hier erhofft. Aber ab einem Ergebnis von 5 Prozent dürfe auf der Wahlparty des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gefeiert werden, hatte die Namensgeberin der neuen Partei vorab als Linie ausgegeben. Dem folgen ihre Anhänger:innen. Für große Freude sorgt das schlechte Abschneiden der Grünen. Auf das desaströse Ergebnis der Linkspartei, der die große Mehrzahl der Versammelten bis vor Kurzem noch angehört hatte, reagieren die Versammelten mit Hohn.

Der Plan Sahra Wagenknechts und ihrer Getreuen ist aufgegangen. Nach einer mehr als einjährigen generalstabsmäßig organisierten Vorbereitungsphase hinter den Kulissen hatten sie sich erst im Oktober 2023 offiziell von der Linkspartei abgespalten, im Januar folgte die Parteigründung. Keine 700 Mitglieder hat das BSW bislang, alle sind handverlesen. Gleichwohl ist ihr politisches Angebot für die Unzufriedenen von nicht wenigen Wäh­le­r:in­nen angenommen worden. „Wir haben Parteigeschichte geschrieben“, sagte BSW-Generalsekretär Christian Leye am Wahlabend. „Das ist historisch.“

Während beim BSW kräftig gefeiert wird, herrscht drei Kilometer entfernt im Karl-Liebknecht-Haus, der Linken-Zentrale, blankes Entsetzen. Möglicherweise noch hinter der Kleinpartei Volt, schneidet die Linkspartei mit etwa 3 Prozent in den ersten Hochrechnungen noch deutlich schlechter ab als ohnehin bereits erwartet. „Wir erleben einen schwierigen Abend“, sagt der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat Martin Schirdewan sichtlich zerknirscht. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern hat die Partei etliche Stimmen an das BSW verloren – ein böses Omen für die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Gleichzeitig ist es ihr nicht wie erhofft gelungen, mit der Kandidatur der Parteilosen, Carola Rackete, bei der westdeutsch geprägten Klima- und Menschenrechtsbewegung zu punkten. Offenkundig haben die jahrelangen innerparteilichen Querelen mit dem Wagenknecht-Lager einen kaum mehr reparablen Schaden angerichtet.

„Wir werden in eine grundsätzliche Debatte einsteigen“, kündigt Schirdewan an. Wahrscheinlich ist, dass nun ein neuer Richtungsstreit ausbrechen wird. Ob dadurch der Fall in die Bedeutungslosigkeit aufzuhalten ist, erscheint jedoch fraglich.