piwik no script img

Zeit,dasssich noch mal was dreht

Jedes große Sport-Event hat auch seine Songs – leider

Kein großes Sport-Event ohne Soundtrack, schon gar kein Fußballturnier. Für diese EM wurden Songs gleich in Massenproduktion angefertigt, und das hört man ihnen auch an.

In puncto Geschmackslosigkeit ganz weit oben sind die Länderhymnen, die ein Account namens „FootballPoet“ als „Euro 2024 Songs“ auf YouTube gestellt hat. Alle Klischees werden hier aufgewärmt, bei den Schotten sind Whiskey und Haggis Treibstoff für die Spieler, bei den Italienern wird auf Spaghetti gedribbelt und die Österreicher holen die Mozartkugeln raus. Nationalismus und sprachlich Gruseliges gibt es gratis dazu („Deutschland, Deutschland, Sie­ges­söh­ne“), wobei die Frage aufkommt, ob nicht eine KI die Videos produziert hat.

Allerdings klingen die mit Human Intelligence komponierten Lieder meist auch nicht besser. Wie der offizielle EM-Song der Uefa, eine Koproduktion der US-amerikanischen Band One Republic, der italienischen Elektropop-Formation Meduza und der deutschen Sängerin Leony. Er vereint maximal einfallslose Beats mit einem dahingesäuselten Refrain: „We’re on fire.“

Auch die übertragenden TV-Sender haben Songs in Auftrag gegeben. Das ZDF versucht mit „glaubst du“ von der Band Provinz möglichst viele Menschen abzuholen, Alt und Jung, Klatschpublikum und Indiepopper. Das Stück ist hymnisch, zu Piano-Hooks singt die Band aus Oberschwaben: „Glaubst du an mich? Ich glaub an dich / Will, dass es für immer ist.“ Tim Bendzkos Track „KOMM SCHON!“ für magentaTV verbindet dagegen softe Beats mit Coaching-Sprech („Bist erst am Anfang deiner Reise / Du wirst noch so vieles erreichen“). Und die ARD? Bekommt von Mark Forster einen Mark-Forster-Song: „Wenn Du Mich Rufst“.

Weitere Künst­le­r:in­nen haben sich auch ohne offiziellen Auftrag an EM-Songs probiert. Die Hoffnung, ein Sommermärchen möge sich wiederholen, spiegelt sich im Remix von Herbert Grönemeyers WM-2006-Lied „Zeit, das sich was dreht“, den der Berliner Rapper $oho Bani produziert hat: Eine gelungene Mischung aus HipHop, Trap und grönemeyerischem Pathos-Pop. Und dann wäre da noch „Füllkrug“ vom deutsch-schweizerischen Duo Aditotoro und Paulomuc – ist das genialischer Trash oder kann das in den Müll? Entscheiden Sie selbst, während Sie die Zeilen „Füllkrug mit Bier / Wir werden König von Europa“ mitgrölen.

Schließlich wurde zuletzt viel über Torhymnen diskutiert. So ließ der österreichische Fußballverband nach eigenen Treffern eigentlich Gigi D’Agostinos „L’Amour Toujours“ abspielen, was sich nach den rassistischen Umdichtungen jüngerer Zeit plötzlich als nicht mehr so gute Idee herausstellte. Eine neue Hymne wird gesucht. Der DFB hat hingegen neulich erst „Major Tom“ zur neuen Torhymne auserkoren. Doch bei der EM wird im Stadion nicht „Völlig losgelöst / von der Erde“ erklingen. Spiel- und Liedverderber ist hier die Uefa, die nur ihre eigenen offiziellen Songs abspielen will. Jens Uthoff

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen