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Stadtpolitik im Museum

Das Werkbundarchiv beklagt mit „Profitopolis“ den Zustand der Stadt. Es ist die erste Ausstellung am neuen Standort in der Leipziger Straße

Von Martin Conrads

Die Fensterfronten zur Leipziger Straße sind riesig – welch Unterschied zum vorigen Standort in der eher dunklen Werkstatt­etage auf der Oranienstraße. Das „Werkbundarchiv – Museum der Dinge“ hätte es schlimmer erwischen können, nachdem es 2022 von einem Luxemburger Immobilienfonds gekündigt wurde und – nach 17 Jahren – Ende letzten Jahres aus den Kreuzberger Räumlichkeiten aus- und nach Mitte umziehen musste. Dank eines Mietvertrags mit der WBM (Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte) kann das Werkbundarchiv nun erst einmal so lange wie nötig am neuen, eigentlich einem Interimsstandort bleiben. „Interim“, da man weiterhin auf den endgültigen Umzug in einen der neu zu bauenden Pavillons auf der Karl-Marx-Allee hofft, wie sie unter Rot-Rot-Grün unter anderem für das Werkbund­archiv geplant wurden. Und „eigentlich“, weil dafür im aktuellen Doppelhaushalt keine Mittel vorgesehen sind.

Mindestens einen recht großen Wermutstropfen gibt es: Die Dauerausstellung mit einer Auswahl aus rund 40.000 Objekten (von der Teetasse zum Tastenhandy), die mit der Geschichte des „Deutschen Werkbunds“ und der Gestaltungs- und Produktkultur des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart verknüpft sind, wird noch weniger Platz haben. „Aus Sicht des Museums ist es nicht attraktiv, zu bleiben“, bekräftigt daher Werkbundarchiv-Volontärin Lotte Thaa. Ziel bleibe der Pavillon.

Schlagworte wie das von der „Unwirtlichkeit der Städte“ untermalten das Konzept

Thaa steht im Sonderausstellungsbereich des neuen Standorts. Mit 129 Quadratmetern fällt er immerhin größer aus als in der Oranienstraße. Bevor die Dauerausstellung am 8. Oktober eröffnet, hat Thaa, gemeinsam mit Werkbundarchiv-Kurator Alexander Renz und der 2023 als Leiterin ans Haus gekommenen Florentine Nadolni, einen ersten Aufschlag an der Leipziger Straße konzipiert. „Profitopolis oder der Zustand der Stadt“ nennt sich die Ausstellung, mit der sich das Werkbundarchiv am neuen Standort vorstellt.

Was Nadolni, Renz und Thaa dabei machen, ist nicht weniger als eine Thematisierung der stadtpolitischen Umstände, die zum unfreiwilligen Umzug geführt haben. Als Institution, die sich seit ihrer Gründung 1973 mit kritischem Abstand der Geschichte des 1907 gegründeten Deutschen Werkbunds widmet, greift das Werkbundarchiv immer wieder Diskurse aus dessen Geschichte auf. Die bis heute existierende Vereinigung suchte im 20. Jahrhundert unter anderem mit dem Motto „Vom Sofakissen zum Städtebau“ der industriellen Produktion in Deutschland die Allgemeingültigkeit einer so funktio­nalen wie geschmackssicheren Gestaltung in der Tradition eines wiedererstarkten Kunsthandwerks zu sichern.

Oft waren es dabei Einzel­akteure, die neue Diskussionen initiierten. So auch im Fall von Josef Lehmbrock und Wend Fischer, der eine Architekt, der andere Direktor des Designmuseums „Die Neue Sammlung“ in München, die dort 1971 die Ausstellung „Profitopoli$ oder Der Mensch braucht eine andere Stadt“ ausrichteten. Als Ausstellung mit Bildtafeln „über den miserablen Zustand unserer Städte und über die Notwendigkeit, diesen Zustand zu ändern, damit der Mensch wieder menschenwürdig in seiner Stadt leben kann“ war sie so erfolgreich, dass sie an 140 Orten, vor allem Westdeutschlands und im deutschsprachigen Ausland, gezeigt wurde, ergänzt durch eine modifizierte Fassung im Jahr 1979. Schlagworte wie das von der „Unwirtlichkeit der Städte“ untermalten das Konzept.

Wenn das Werkbundarchiv nun seinerseits mit „Profitopolis oder der Zustand der Stadt“ auf diese beiden modernekritischen Ausstellungen referiert, dann historisch und gegenwartsbezogen: So teilt sich der Ausstellungsraum in einen Part, der sowohl auf die beiden Ausstellungen aus den 1970ern zurückblickt als auch die Verbindung des Werkbunds mit Fragen des Städtebaus anhand meist grafischer Exponate zeigt. Aus Platzgründen musste aber arg verknappt werden, sodass man sich fragt, ob es dieses Parts bedurft hätte. Für den anderen Part der Ausstellung, der sich anhand von Objekten, Dokumenten und künstlerischen Arbeiten, etwa von Mirja Busch oder Martin Kaltwasser, Aspekten stadtpolitischer Entwicklungen im Berlin der letzten Jahrzehnte widmet (autogerechte Stadt, Instandbesetzungen, kritische Rekonstruktion, klimagerechte Stadt etc.), bleibt so ebenfalls zu wenig Raum. Debatten werden nur angerissen. Zwar verweist man in der Ausstellung auf unzureichendes Bodenrecht, spielt mit dem Bild eines Demoschilds auf dem Ausstellungsplakat, beklagt das „Abschöpfen von Profiten“ durch Im­mo­bi­li­en­ent­wick­le­r*in­nen – wo aber ist eine gestaltungspolitische Forderung?

Der didaktische Kniff besteht womöglich darin, das Thema Tou­ris­t*in­nen sowie Neu- und Jung­ber­li­ne­r*in­nen nahezubringen. Für Ersteres spricht, dass der Ort von Hotels umsäumt ist, für Letzteres die kompakte Größe der Ausstellung und ihr Vermittlungsprogramm. Für alle anderen bleibt die Hoffnung, dass sich das am Kulturforum im Bau befindliche Museum „berlin modern“ des Themas Stadtentwicklung womöglich ja in einer so gigantischen wie wegweisenden, wie man gerne sagt, Eröffnungsausstellung annimmt. Dafür könnte sie auch auf der Expertise des Werkbundarchivs aufbauen.

„Profitopolis oder der Zustand der Stadt“,Werkbundarchiv, bis 28. Feb 2025

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