Kroatiens Europabild: Eine Brücke zu Lidl

Die EU finanziert eine Verbindung auf die Insel Čiovo. Begeisterung über Brüssel löst das nicht aus. Die Gemeinschaft wird seit je her skeptisch gesehen.

Sommerliche Abendstimmung in Trogir - am Rand die Brücke nach Ciovo

EU-Geschenk vor malerischer Kulisse: Trogir und die Brücke auf die Insel Čiovo Foto: Peter Schickert/imago

Sie ist schon ganz hübsch anzusehen, die fast einen Kilometer lange neue Brücke, die vom kroatischen Festland aus die Insel Čiovo an sich bindet. Vor Jahren noch quälte sich der Verkehr zur 15 Kilometer langen Insel über die alten Brücken in Trogir, die jahrhundertelang das Festland, den auf einer kleinen Zwischeninsel liegenden mittelalterlichen Stadtkern und die Insel Čiovo zu einem Raum zu verschmelzen suchten.

In den letzten Jahrzehnten aber bildete sich den ganzen Sommer über ein übler Stau an ebendiesen Brücken, der manchmal erst nach langen Stunden zu überwinden war. Wer Besorgungen machen musste, fuhr besser mit dem Boot, um das Festland oder Split zu erreichen. Welch ein Geschenk war dann die neue Brücke. Ein Geschenk der EU!

Also wesentlich bezahlt mit EU-Geldern … die erste Baufirma ging pleite, eine österreichische. Man hörte viel über Korruption, was die örtlichen Politiker nicht daran hinderte, sich den Verdienstorden für den Bau der Brücke 2018 an die eigene Brust zu heften.

Das europäische Geschenk wurde zur Brücke der „kroatischen Verteidiger“, also der kroatischen Armee, die 1995 die serbischen Truppen aus dem Land warfen, nicht aber zur Brücke der „europäischen Einigung“. Trotz der Geschenke herrschte zu jener Zeit eine arg negative Stimmung gegen Demokratie, Homoehen und überhaupt all die Freiheiten vor allem in Deutschland, wohin die Kroaten immer zuerst blicken, wenn es um Europa geht.

„Wir wollen normale Ehen, Mann, Frau und Kinder, eure Freiheiten sind unkroatisch“, sagte damals ein etwas von Alkohol beseelter Nachbar aus dem Dorf Slatine mit Abscheu in der Stimme. Und lamentierte laut in der Hafenkneipe gegen die Istanbuler Konvention zum Schutz der Frauen. Er halte es mit der kroatischen Tradition. Mein ironischer Einwurf „Also dürft ihr wieder eure Frauen schlagen“, ging zum Glück unter, wer weiß, wohin die Fäuste sonst geflogen wären.

Heute sind die Klagen leiser. Und es sind andere. Dass sich jetzt mit der Brücke Konsumenten aus Zagreb, Split und der Herzegowina auf der Insel drängeln, dass sich im Sommer Touristen aus ganz Europa an den Stränden aalen, bringt erst mal Geld. Dass jetzt überall Häuser inmitten des Macchia-Waldes gebaut werden, dass die Küste leergefischt wird, dass die Motorboote der Touristen sogar die Möwen vertreiben, macht dann doch viele nachdenklich. Anton, früher Matrose, heute Maurer, der mit seiner Arbeit gut verdient, beklagt, dass niemand mehr die Felder bearbeitet. Das lohne sich angesichts der Importe nicht mehr.

„Was hatten wir früher für Früchte, Frühkartoffeln, jetzt schon Tomaten, Mangold“, sagt die Rentnerin Mara, jetzt müsse man das alles in den Supermärkten kaufen. Auf dem Gemüse- und Obstmarkt in Trogir „kriegt man eh nichts Richtiges mehr“. Die Händler würden die in Plastik verpackte Ware bei Lidl einkaufen und diese dann als einheimische Produkte verticken.

Čiovo, so scheint es, liegt jetzt mitten in Europa.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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