das portrait
: TU-Präsidentin Geraldine Rauch zeigt, wie man sich entschuldigt

Wer sich je für einen schwerwiegenden Fehler entschuldigen möchte, könnte sich ein Beispiel an Geraldine Rauch nehmen: Ihre Erklärung vor dem Akademischen Senat der Technischen Universität Berlin (TU) enthält, was es für eine ernsthafte, umfassende Entschuldigung braucht. Sie gesteht ihren Fehltritt ein. Sie bittet um Verzeihung – ohne es für gesetzt zu nehmen, dass diese von denjenigen, die sie verletzt hat, auch angenommen wird. Sie zeigt ihre Bereitschaft, dazuzulernen. Sie macht konkrete Vorschläge, um zerstörtes Vertrauen zu kitten. Sie drückt ihre Reue aus. Und sie schont sich selbst nicht: Sie teilt mit, dass sie ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt hat, um alles juristisch zu klären.

In ihrer Position als Präsidentin der TU Berlin war Rauch unter Druck geraten: Sie hatte mit ihrem X-Account einen Post mit antisemitischer Bildsprache gelikt. Am schwersten wog das Herz für einen Text über eine Demonstration in der Türkei für einen Waffenstillstand und gegen die Operation in Rafah. Dieser Post eines Nutzers mit russischer Flagge in der Bio war wiederum mit einem Bild illustriert: Es zeigt De­mons­tran­t*in­nen mit einem Plakat, auf dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Blutflecken und Hakenkreuzen versehen ist. Daneben war Rauch auch konkret dafür kritisiert worden, dass sie Likes für X-Beiträge vergeben hatte, in denen „Völkermord in Gaza“ oder „Wir sind Wertepartner mit Kriegsverbrecher?“ stand. Amts­trä­ge­r*in­nen und Po­li­ti­ke­r*in­nen auf Landes- sowie Bundesebene fordern seitdem ihren Rücktritt.

Geraldine Rauch ist 41 Jahre alt. 2022 war sie zur Präsidentin der TU gewählt worden. Sie hat in Bremen Mathematik studiert, promovierte bei einer Medizinfirma und erhielt 2015 an der Universität Heidelberg ihre Lehrerlaubnis für Hochschulen. Es folgte eine Professur am Universitätsklinikum Hamburg, sie wurde dort auch Institutsdirektorin und Prodekanin für Studium und Lehre. Geraldine Rauch ist Sprecherin des Exzellenzverbunds Berlin University Alliance. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sie 2022 in den Zukunftsrat der Bundesregierung berufen. Sie wolle die Gesellschaft mitgestalten, sagte sie zum Amtsantritt. Die TU mit ihren „starken Ingenieurwissenschaften, aber auch mit Geistes- und Planungswissenschaften sowie Lehrerbildung“ sei dafür „prädestiniert“. An der Uni selbst setzte sie sich gegen Machtmissbrauch und für unbefristete Arbeitsverhältnisse ein. Sie positionierte sich gegen rechtsextreme Tendenzen im Uni-Betrieb.

Für ihre Likes hatte sich Rauch bereits schriftlich entschuldigt. Nach ihrer mündlichen Erklärung am Mittwoch beriet sich der Akademische Senat viereinhalb Stunden. Das Gremium aus Hochschullehrenden, akademischen Mitarbeiter*innen, Stu­den­t*in­nen sowie Mit­ar­bei­te­r*in­nen für Technik, Service und Verwaltung hätte mit Zweidrittelmehrheit ihre Abwahl beantragen können. Doch die Mitglieder holten stattdessen ein Meinungsbild darüber ein, ob sie TU-Präsidentin bleiben solle: 13 sprachen sich in geheimer Abstimmung dagegen aus, 12 dafür. Sie forderten die Präsidentin auf, sich dazu zu verhalten. „Ich trete nicht zurück“, erklärte Rauch selbst dann am Donnerstagabend: „Die Debatte war konstruktiv. Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben.“ Auch, dass der Akademische Senat ihr die Entscheidung darüber selbst in die Hände legte, zeigt eine Bereitschaft, sie als Präsidentin weiter mitzutragen. Und es zeigt, dass man ihr zutraut, den Schaden, den sie dem Ruf der Uni zugefügt hat, wiedergutzumachen.

Foto: Jens Kalaene/dpa

Uta Schleiermacher