Kritik an mangelnder Verbindlichkeit: Europarat nimmt KI-Konvention an
Der Europarat will die Menschenrechte vor einem Missbrauch durch KI schützen. Die Organisation hofft auf eine weltweite Wirkung – doch es gibt Kritik.
Mit der Konvention soll der Einsatz von KI im öffentlichen und im privaten Sektor geregelt werden. Bei der Regulierung des Privatsektors können sich die Staaten allerdings aussuchen, ob sie statt der Konventionsvorschriften eigene Maßnahmen ergreifen. Das sei nötig wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme, hieß es seitens des Europarats. Kritiker bemängeln aber, dass damit das Abkommen verwässert und Staaten und Unternehmen zu sehr freie Hand gelassen werde. Bei Fragen der nationalen Sicherheit und Verteidigung greifen die Vorgaben ebenfalls nicht.
Das Abkommen legt nach Angaben des Europarats unter anderem Transparenz- und Überwachungsanforderungen fest, etwa wenn Inhalte von KI erstellt werden. Die Staaten müssen auch sicherstellen, dass KI-Systeme das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Privatsphäre achten, hieß es. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass KI-Systeme nicht dafür verwendet werden, demokratische Prozesse zu untergraben.
Nach der Unterzeichnung können der Konvention nicht nur die Staaten des Europarats beitreten, sondern Länder weltweit. Wer die Konvention unterzeichnet hat, ist dann daran gebunden. An den Verhandlungen beteiligt waren auch Länder außerhalb des Europarats wie die USA, Kanada oder Israel.
Datenschutzbeauftragter: Rote Linien fehlen
Kritiker sagen, dass in der Konvention den Staaten zu sehr freie Hand gelassen werde und sie daher kaum Wirkung entfalten werde. Angela Müller von Algorithm Watch bezeichnete es grundsätzlich als „wertvolles Signal mit Ausstrahlungskraft“, dass der Europarat anerkenne, dass es für den Schutz der Menschenrechte Regeln für den Umgang mit KI brauche. Der Vertrag hinterlasse aber einen „bitteren Nachgeschmack“, da er diesen Zielen nicht gerecht werde.
„Und obwohl es nicht an Belegen mangelt, wie Tech-Konzerne mit Social-Media-Algorithmen oder Deep-Fake-Generatoren die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen, überlässt es der Europarat den Staaten, ob sie dafür weiche Maßnahmen oder bindende Gesetze erlassen wollen. Er vertraut darauf, dass eine reine Selbstregulierung von Unternehmen ausreichen wird, um Menschenrechte und Demokratie zu schützen“, sagte Müller der dpa.
Der Europäische Datenschutzbeauftragte warnte in der Schlussphase der Verhandlungen davor, dass die Konvention zu einer „verpassten Gelegenheit“ werden könnte. Er bemängelte vor allem, dass es in dem Entwurf an roten Linien für bestimmte KI-Anwendungen fehle. Man sei besorgt, dass das Abkommen zu allgemein gehalten sei und daher unterschiedlich angewendet würde.
Der Europarat ist von der EU unabhängig und setzt sich zusammen mit seinem Gerichtshof für den Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat ein. Zu den 46 Mitgliedern gehören alle 27 Länder der EU, aber auch Länder wie Großbritannien oder die Türkei. Er ist damit zuständig für 680 Millionen Menschen – von Grönland bis Aserbaidschan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos