: Schwächelnd ins Ziel geschleppt
Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini werden vom SPD-Parteitag mit magerer Zustimmung zu neuen Landesvorsitzenden gewählt
Von Rainer Rutz
Berlins vor allem gegen sich selbst kämpfende SPD hat eine neue Landesspitze. Martin Hikel, Bezirksbürgermeister von Neukölln, und Nicola Böcker-Giannini, Staatsekretärin im einstweiligen Ruhestand, sollen die Partei nun aus dem Tal der Tränen führen.
Die Wahl der Nachfolger:innen der bisherigen Amtsinhaber:innen Raed Saleh und Franziska Giffey auf dem SPD-Landesparteitag am Samstag galt zwar als Formsache. Schließlich hatte sich zuvor die SPD-Basis mehrheitlich für das Duo vom rechten Parteiflügel entschieden. Nur tickten die Delegierten zu überwiegenden Teilen linker als die Basis und ihre neuen Chef:innen.
Sie hätten es in der Hand, „ob von diesem Parteitag ein Signal des Zusammenhalts oder ein Signal der Spaltung ausgeht“, hatte Böcker-Giannini vor ihrer Wahl in einem Lichtenberger Tagungshotel um Zustimmung geworben. Tatsächlich folgte ein Weder-noch. Kein Triumph, aber auch keine Klatsche.
Nicola Böcker-Giannini
Hikel schleppte sich mit 66 Prozent ins Ziel, Böcker-Giannini kam auf 68 Prozent, rund ein Drittel der über 260 Delegierten stimmten gegen die beiden. Es sei „ein ehrliches Ergebnis“, kommentierte Böcker-Giannini das Votum im Anschluss. Hikel dankte für die „kritische Diskussion“.
Besagte Diskussion drehte sich zu nicht unwesentlichen Teilen um ein Interview, das Hikel und Böcker-Giannini kurz vor dem Parteitag der B.Z. gegeben hatten. Nicht zuletzt eine Aussage brachte etliche auf die Palme. Die Partei sei „inhaltlich ziemlich tot“, sagte Hikel der Zeitung. Verstanden wurde es als Missachtung der Arbeit der Ehrenamtler:innen in den Kreisverbänden. Teile der Parteilinken machten in ihren Reden dann auch keinen Hehl daraus, dass sie Hikel und Böcker-Giannini nur bedingt zutrauen, den Laden adäquat zu führen. Eine Delegierte aus Neukölln sagte: „Uns zu unterstellen, dass wir abgekoppelt sind von der Realität der Berliner:innen, das verletzt mich, das macht mir keinen Spaß.“ Auch Jusos-Chefin Svenja Diedrich fragte sich, wie die SPD angesichts solcher Aussagen „zu dieser ominösen Geschlossenheit“ kommen soll, zu der auf dem Parteitag immer wieder aufgerufen wurde.
Spannend wird auch, wie das neue Führungsduo mit der weiterhin von Raed Saleh geführten SPD-Fraktion und den eigenen Senator:innen zusammenarbeiten will. In der B.Z. erklärten die beiden sinngemäß, die Senator:innen müssten jetzt liefern, anderenfalls könnten sie sich schon mal Gedanken um ihre Zukunft machen.
Als schwer vorbelastet gilt das Verhältnis zwischen Böcker-Giannini und ihrer ehemaligen Dienstherrin, Innen- und Sprtsenatorin Iris Spranger. Zur Erinnerung: Böcker-Giannini wurde im Oktober 2023 von Spranger gefeuert und reichte daraufhin Klage gegen ihre Zwangsversetzung in den Ruhestand ein. Eine Gerichtsentscheidung steht bis heute aus.
Auf Nachfrage sagte Nicola Böcker-Giannini, dass es gegenüber Spranger „von unserer Seite keine Vorbehalte“ gebe. „Persönliche Animositäten“ spielten für sie keine Rolle, ergänzte Martin Hikel. Kein Wort glaube er davon, sagte ein mit den Vorgängen vertrauter Delegierter am Rand des Parteitags zur taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen