Wahlen in Nordmazedonien: Wenn die Gedemütigten demütigen
Nordmazedoniens proeuropäische Sozialdemokraten wurden von EU-Mitgliedsstaaten im Stich gelassen. Jetzt rückt das enttäuschte Land nach rechts.
R echtsruck und Machtwechsel in Nordmazedonien: Wie erwartet, hat sich die nationalkonservative VMRO-DPMNE, die „Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit“, unter Parteichef Hristijan Mickoski bei den Parlamentswahlen abermals als stärkste politische Kraft in dem südosteuropäischen Kleinstaat etabliert. In Gordana Siljanovska-Davkova setzte sich zudem die von ihr unterstützte Kandidatin in der Stichwahl um das Präsidentenamt klar durch.
Dass die ausgesprochen proeuropäischen Sozialdemokraten (SDSM) bei den Doppelwahlen derart unter die Räder geraten, hat jedoch überrascht. Gleich 20 Prozentpunkte verlor die SDSM unter Ex-Premier Dimitar Kovacevski im Vergleich zur letzten Wahl. Sie ist nicht nur die Macht im Zwei-Millionen-Einwohner-Land los. Für die SDSM ist das Ergebnis eine krachende Niederlage, gar eine Demütigung.
Galoppierende Energiepreise, sinkende Reallöhne, eine ausufernde Korruption: Ja, das hat die seit 2017 von der SDSM geführte Regierung in Skopje im Innern unstrittig in Verruf gebracht, mithin ihre Wählerbasis erodiert. Doch die SDSM, die es sich wie keine andere Partei in Nordmazedonien auf die Fahnen geschrieben hat, das Land endlich in die EU zu führen, ist im Stich gelassen worden. Von außen, von den EU-Eliten in Brüssel sowie einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Schwergewichten.
Der Frust in Skopje ist groß
Schon seit 2005 ist der Vielvölkerstaat EU-Beitrittskandidat. 2019 änderte er auf Druck von Griechenland den Staatsnamen von Mazedonien in Nordmazedonien. Das Gros der Bevölkerung glaubte fest daran, im Gegenzug dafür einen Riesenschritt in die volle EU-Mitgliedschaft vollzogen zu haben. Doch plötzlich stellt Bulgarien Forderungen, die an den Grundfesten des Nationalbewusstseins in Nordmazedonien rütteln. Der Frust in Skopje ist groß.
Das hierzulande vorherrschende Gefühl ist: „Wir dürfen nicht in die EU, wie wir sind, sondern erst dann, wenn wir unsere Gliedmaßen verkürzen oder vollständig verlieren.“ Weil sie sich gedemütigt fühlten, demütigten die Bürger ihre Regierung. Das war ihre Wahl, eine klare Botschaft. Findet sie draußen Gehör?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos