Eishockey in der NHL: Ungewöhnliche Tal- und Bergfahrt
Die Profis aus Edmonton spielen um den Einzug ins Stanley-Cup-Finale. Leon Draisaitl trumpft just besonders auf.
V ielleicht geht seine Zeitrechnung doch noch in dieser Saison auf. „Wir haben keine fünf Jahre mehr“, sagte Leon Draisaitl im Jahr 2021, als er die Perspektiven seines Teams auf den Stanley Cup einschätzen sollte. Mit Draisaitl und Connor McDavid verfügen die Edmonton Oilers schon seit Jahren über ein kongeniales Angreifer-Duo, das seinesgleichen in der NHL sucht. Das kanadische Team wies in seiner Breite in den vergangen Jahren allerdings immer ein paar Dysbalancen zu viel auf, um in greifbare Nähe des Stanley Cup, der weltweit wertvollsten Eishockeytrophäe, zu gelangen.
Aber seit Montagabend ist die Hoffnung bei den Oilers groß, dass es mit dem erfahrenen, in dieser Saison gar ältesten NHL-Team, klappen könnte. Im entscheidenden siebten Spiel gegen die Vancouver Canucks behielten Draisaitl und Co in einer turbulenten Schlussphase nach komfortabler 3:0-Führung letztlich die Nerven und retteten mit 3:2 den Vorsprung über die Zeit.
Jetzt zählen sie schon mal zu den besten vier Teams der Playoffs und könnten mit einem Erfolg in der Best-of-seven-Serie gegen die Dallas Stars, die am Donnerstagabend (Ortszeit) startet, erstmals ins Finale einziehen. In der Eastern Conference ermitteln die New York Rangers und die Florida Panthers den anderen Finalisten. Unter den besten vier waren die Edmonton Oilers in der mittlerweile stolzen zehnjährigen Draisaitl-Ära bereits schon einmal, nämlich vor zwei Jahren.
Aber möglicherweise helfen die Negativerlebnisse von einst dem Team nun, es besser zu machen und das favorisierte Team aus Dallas zu überraschen. Dass das Zeitfenster für den ganz großen Erfolg kleiner wird, scheint gerade bei Draisaitl noch einmal besondere Kräfte zu mobilisieren. Draisaitls Vertrag in Vancouver endet 2025 nach der nächsten Saison.
Torbeteiligung in jedem Spiel
Altersbedingt stünden dann ohnehin größere Umstrukturierungen im Kader an. Derzeit spielt Draisaitl jedenfalls die besten Playoffs seiner Karriere und hat in den bisherigen zwölf Begegnungen jeweils mindestens einen Scorerpunkt erzielt. In Summe sind es bereits 24 Punkte. Seinen insgesamt hundertsten Playoff-Scorerpunkt erzielte er bei seinem 60. Einsatz gegen Vancouver im Spiel sechs. Nur die NHL-Legenden Wayne Gretzky (46) und Mario Lemieux (50) erreichten diese Marke früher.
In NHL-Bestenlisten hat sich Draisaitl in den letzten Jahren recht regelmäßig eingetragen – häufig knapp hinter dem großen Gretzky. Statistiken werden in dieser Sportart sowieso mit besonders großer Liebe gepflegt und begutachtet. Die Hart Trophy bekam der gebürtige Kölner bereits 2020 überreicht, mit welcher der Beste der Liga, der „most valuable player“, ausgezeichnet wird. Draisaitl Liebe zu individuellen Statistiken und Auszeichnungen ist wiederum nicht ganz so stark ausgeprägt. Eigentlich geht es ihm um anderes, hat er damals schon deutlich gemacht: „Es ist eine nette Auszeichnung, aber es geht halt nichts über den Stanley Cup.“
Anfang dieser Saison schienen die Edmonton Oilers von diesem Ziel weiter entfernt denn je. Nach zehn Niederlagen in den ersten zwölf Spielen wirkte die Mannschaft völlig derangiert. Trainer Jay Woodcroft wurde entlassen und mit Nachfolger Kris Knoblauch ein NHL-Neuling verpflichtet, der das Team wieder an sich selbst glauben ließ. Connor McDavid, der als Jugendspieler bereits einmal unter Knoblauch trainierte, hob unlängst vor allem dessen besonnene Art hervor: „Er ist derselbe alte Kris – ruhig, und er flippt nicht aus oder so etwas.“
Es ist jedenfalls äußerst bemerkenswert, welche Tal- und Bergfahrt die Oilers allein schon in dieser Saison durchgemacht haben. Auch daraus könnte ein ganz besonderer Geist und eine besondere Energie für die bevorstehenden Aufgaben entstanden sein.
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