: Klein warnt vor „aggressiver Stimmung“
Der Antisemitismusbeauftragte sieht die Gazaproteste an Unis kritisch. Vorfall an Berliner HU
Von Ralf Pauli
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, befürchtet eine Eskalation der propalästinensischen Demos an deutschen Hochschulen. „Eine antisemitische Grundhaltung ist leider weit verbreitet und kann sehr schnell zu einer Eskalation führen“, sagte Klein am Samstag in der Rheinischen Post. Noch seien zwar nicht die Dimensionen wie derzeit in den USA erreicht. Er beobachte aber hierzulande eine „aggressive antiisraelische Stimmung, die auch antisemitisch motiviert ist“.
In den USA eskalieren seit mehreren Wochen die Hochschulproteste gegen Israels Militäreinsatz in Gaza. Laut Medienberichten wurden an US-Universitäten seit Mitte April rund 2.000 Protestierende festgenommen. Davon sind deutsche Hochschulen zwar weit entfernt. Doch der jüngste Polizeieinsatz am Freitag vor der Berliner Humboldt-Universität (HU) scheint Kleins Sorgen zu bestätigen. 37 Ermittlungsverfahren hat die Polizei laut eigenen Angaben nach einem Sitzstreik eingeleitet, unter anderem wegen möglicher Volksverhetzung. Demnach soll von Seiten der rund 300 Demonstrierenden mehrfach die israelfeindliche Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ gerufen worden sein. Die Polizei löste die Demo auf, die Teilnehmenden werfen der Humboldt-Universität Repression vor.
Auf Videoaufnahmen im Netz ist zu sehen, wie Uni-Präsidentin Julia von Blumenthal versucht, mit den Protestierenden ins Gespräch zu kommen, dabei aber mehrfach lautstark unterbrochen und als „Zionistin“ beschimpft wird. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte von Blumenthal, sie habe im Gespräch mit den Protestierenden angeboten, bei einer Veranstaltung in den kommenden Wochen zum Thema zu diskutieren. Eine Kerngruppe habe sich aber dafür entschieden, laut zu brüllen. Die Forderung der Protestierenden, die Universität solle alle Kontakte zu Israel abbrechen, sei für sie „vollkommen ausgeschlossen“.
Seit dem brutalen Massaker der Hamas am 7. Oktober und dem anschließenden Gazakrieg finden an deutschen Hochschulen Protestaktionen statt, die mehr Solidarität mit Palästina und ein Ende des Gazakriegs fordern. Diesen Protesten wird jedoch vorgeworfen, sich teils nicht vom Terror der Hamas zu distanzieren oder ihn sogar zu legitimieren.
Bereits im Dezember hatten die Wissenschaftsminister:innen der Länder einen Aktionsplan gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit beschlossen. Er sieht unter anderem vor, strafrechtlich relevante Vorfälle konsequent zu ahnden und stärker vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Am Wochenende forderte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Hochschulen auf, Hetze gegen Jüdinnen und Juden und Verherrlichung von Terror konsequent zu bekämpfen – zur Not per Exmatrikulation. (mit dpa, epd)
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