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Fahrtende nach Ablauf des Doktortickets

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) steigt aus, über mögliche NachfolgerInnen wird gemunkelt

Von Rainer Rutz

Nach dem Aus für Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hat das Geraune um die Nachfolge eingesetzt. Für Gruseln in der Mobilitäts-Szene sorgen Namen wie Johannes Kraft, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, oder deren Chef Dirk Stettner. Letzterer hatte etwa in Sachen Schwebebahn eine Art Parallel-Verkehrspolitik gemacht. Manche bringen Thorsten Schatz ins Spiel, Spandaus Stadtrat für Bauen und Umwelt und Vertrauten Kai Wegners. Andere setzen auf CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein, die allerdings bislang nicht durch verkehrspolitische Initiativen auffiel.

Schreiners Rücktritt nach der Aberkennnung ihres Doktortitels durch die Uni Rostock war am Dienstag überraschend gekommen. Sie tue es, „um Schaden vom Senat abzuwenden“ und „schweren Herzens“, erklärte die Politikerin. Sie hatte nach Berichten über Plagiate im vergangenen Sommer ihre Dissertation selbst überprüfen lassen. Auch den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) plagte das „schwere Herz“, mit dem er Schreiners Bitte um Entlassung aus dem Amt entsprach. Sie habe eine Politik gemacht, die alle Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen in den Blick nehme, wiederholte er das CDU-Mantra.

Lobende Worte fand auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der Schreiner „für die gute Zusammenarbeit im Senat und mit den Fraktionen“ dankte. Sie habe sich „stets dafür eingesetzt, verschiedene Interessen auszugleichen und die Mobilitätswende in Berlin weiter voranzutreiben“. Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, lobte Schreiner ebenfalls – für ihren Rücktritt: „Ich finde es ausgesprochen respektabel, dass sie ihr Amt umgehend und unaufgefordert niedergelegt hat.“ Jetzt treibe viele die Sorge um, dass es noch schlimmer kommen könnte: „Schreiner hat viel geprüft und gestoppt, aber nicht Tabula rasa gemacht, wie man sich das bei manchen potenziellen Nach­fol­ge­r:in­nen vorstellen könnte“, so Kapek.

Das Fast-Lob überrascht – die Grünen ließen seit Amtsantritt kaum ein gutes Haar an Schreiners Politik. Tatsächlich wirkte die frühere Bau-Lobbyistin häufig überfordert. Ihre interne wie externe Kommunikation war gewöhnungsbedürftig. Vor allem der Planungsstopp für den Radwegeausbau sorgte für massive Proteste. Schreiner selbst sprach von einer „Atempause“. Bald darauf begann sie, längst fertige Ausbaupläne für die Tram überprüfen zu lassen. Immer bekannte sie sich dazu, die Sorgen der Au­to­fah­re­r:in­nen fest im Blick zu haben.

Weniger diplomatisch äußerten sich Ak­ti­vist:innen: „Mit ihrem Radwegestopp hat Frau Schreiner der Verkehrswende ordentliche Knüppel in die Fahrradspeichen geworfen“, so ADFC-Sprecher Karl Grünberg. „Seitdem fahren wir den Radwegen hinterher, die längst gebaut sein müssten.“ In dieselbe Kerbe schlägt der Verein, der mit Schreiner im Dauerclinch lag: Mara Hasenjürgen von Changing Cities sagte der taz, die Senatorin sei nicht für ihre Verkehrspolitik zurückgetreten, „Grund dafür hätte es aber allemal gegeben“. Schreiner habe mit „einem Jahr Blockade beim Ausbau zukunftsfähiger Verkehrsinfrastruktur enormen Schaden angerichtet“.

Anders Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb: Er hatte „ein eher positives Bild“ von der Senatorin, sie habe sich „durchaus für den ÖPNV engagiert, genau zugehört und diskutiert“. Allerdings sei sie „von den Alphamännchen in ihrer Partei dominiert“ worden. Als Nachfolge brachte Wieseke Danny Freymark ins Spiel, den klima- und umweltpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion.

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