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„Wir räumen die Kunst aus“

Kurz vor Ausstellungseröffnung wurde im Kunsthaus Stade Feuchtigkeit in Lampen und Wänden entdeckt. Die Schau „Expressionismus und Film“ läuft deshalb nur im Kino

Außen schön, innen feucht: Kunsthaus Stade Foto: Kunsthaus

Interview Alexander Diehl

Herr Möllers, Sie haben sich vermutlich ein ruhigeres Osterfest gewünscht.

Sebastian Möllers: Ja, doch. Vor allen Dingen habe ich mir eine schöne Ausstellung gewünscht.

Wenn Sie noch mal sagen könnten, wie sich das Ganze für Sie dargestellt hat … es ist das Unglück ja schrittweise offenbar geworden, wenn ich es richtig verstehe.

Wir haben wirklich eine Stunde bevor wir am 9. März die Ausstellung „Expressionismus in Kunst und Film“ eröffnen wollten, festgestellt, dass wir Feuchtigkeit in den Decken haben – daran, dass sie in den Lampen zu sehen war.

Oha, Feuchtigkeit und Elektrizität …

Stummfilmkonzerte „Von morgens bis mitternachts“ (1920), m. Marie-Luise Bolte (Piano): 1. 4.,19 Uhr und „Der letzte Mann“ (1924), m. Tuten & Blasen (Ensemble) 31. 5. und 1. 6., 20 Uhr, Metropolis Kino, Hamburg

Filmvorführungen „Metropolis“ (1927): 18. 4., 20 Uhr und „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920): 16. 5., 20 Uhr, „Deluxxe“, Bungenstr. 2, Stade; „Sumurun“ (1920): 20. 4., 17 Uhr, Metropolis Kino, Hamburg

Ja! Wir haben in den betroffenen beiden Etagen den Strom abgestellt, hatten folglich auch kein Licht – beschlossen dann aber trotzdem wenigstens auf der verbleibenden Etage eine kleine Eröffnung zu machen. Es standen ja einfach schon Leute vor der Tür. Und wir konnten ausschließen, dass Gefahr bestand: für die Kunst und für das Publikum. Danach hat sich herausgestellt: Das Wasser kommt von oben, aus der Leitung. Nach und nach fanden wir heraus: Es war unbemerkt schon mehr davon geflossen und in die Zwischendecken gelangt. Als das historische Haus 1986 umgebaut wurde für den Ausstellungsbetrieb, ist eine Brandschutzdecke eingezogen worden. Die hat das Wasser nun auch super aufgehalten, könnte man sagen. Schwachpunkt, sozusagen, waren die Elektroschächte, die vertikal durch alle Stockwerke verlaufen. So ist das Wasser auch in den Lampen gelandet. Inzwischen wissen wir, wie durchfeuchtet die Brandschutzdecke ist – da müssen wir gründlicher ran.

Aber was genau alles ansteht, können Sie noch nicht sagen?

Wir haben gesagt: Hier wird nichts geöffnet und nichts aufgemacht, bevor nicht die Kunstwerke aus dem Haus sind. Das war immer die oberste Prämisse, dass der Kunst nichts passiert. Die Ausstellungsstücke sind ja nicht zu Schaden gekommen, das wäre sicher anders, wenn da massiv Wasser die Wände hinunter gelaufen wäre. Ironischerweise befeuchten wir die Luft in den Ausstellungsräumen derzeit sogar. Das hat mit der Jahreszeit und den Außentemperaturen zu tun. Das heißt: Die Feuchtigkeit, die in den Decken sitzt, schlägt nicht durch auf das Klima in den Räumen. Und das ist, andererseits, das Schlimme: Sie kann da eben nicht raus und verdunsten. Das müssen wir aufmachen.

„Was uns da passiert ist, kann ja theoretisch immer und überall passieren. In jedem Museum gibt es irgendwelche Wasserleitungen“

Sie haben die Ausstellung also unmittelbar nach der Eröffnung wieder schließen müssen.

Ja, und erst mal Schadensanalyse betrieben. Wenn die Kunst aber erst mal raus ist, werden wir sie wohl nicht nochmal zurückbekommen. Es zeichnet sich ab, dass wir die Schau nicht wieder eröffnen können, rein zeitlich. Wir räumen nun die Kunst aus, lagern sie ein in einem speziellen Lager Und dann kommen all die Gutachter für die diversen beteiligten Versicherungen … Danach erst können dann die baulichen Maßnahmen losgehen.

Foto: Axel Hartmann

Sebastian Möllers

ist seit 2010 Direktor der Museen Stade.

Müssen Sie nun Sorge haben, dass der Ruf des Hauses Schaden nimmt bei potenziellen Leihgebern?   

Ach, ich denke, was uns da passiert ist, kann ja theoretisch immer und überall passieren. In jedem Museum gibt es irgendwelche Wasserleitungen. Bisher waren die Reaktionen von den leihgebenden Institutionen durchweg mitfühlend und zugewandt. Natürlich sind sie besorgt, aber ihren Stücken ist ja nichts passiert. Da haben wir alle Glück gehabt. Das ist auch für mich letzten Endes der einzige positive Aspekt: Der Kunst ist nichts passiert. Wir gehen davon aus, dass wir nun die Decken öffnen müssen, gegebenenfalls trocknen und dann wieder rückbauen – und im Juni mit der nächsten geplanten Ausstellung ganz regulär weitermachen können.

Ernst Deutsch sprengt als Bankkassierer in Karlheinz Martins „Von Morgens bis Mitternacht“ den Käfig seines bürgerlichen Lebens Foto: Karlheinz Martin

Es hätte ja auch „Expressionismus“-Begleitprogramm gegeben. Das ist vermutlich auch hinfällig?

Die Kooperationen mit dem Hamburger Metropolis-Kino und mit der Deluxxe-Bar laufen weiter. Die Filme werden gezeigt. Wir hatten uns auch sehr gefreut über diese Zusammenarbeit. Und die Kol­le­g*in­nen dort haben uns rückgemeldet, dass sie schon ganz schön viele Karten verkauft haben.

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