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Oberbürgermeister İmamoğluGrößere Ziele als Istanbul

Mit seiner Wiederwahl hat sich der CHP-Politiker als wichtigster Herausforderer des Präsidenten Erdoğan und seiner AKP in Stellung gebracht.

Mann der Mitte: İmamoğlu im März im Wahlkampf in Istanbul Foto: Francisco Seco/AP

Istanbul taz | Als Ekrem İmamoğlu am späten Sonntagabend vor seine WählerInnen tritt, ist er so heiser, dass er kaum noch sprechen kann. Noch sind die Stimmen nicht endgültig ausgezählt, aber der Vorsprung İmamoğlus auf seinen Konkurrenten ist so groß, dass seine Wiederwahl als Oberbürgermeister von Istanbul praktisch feststeht. İmamoğlu redet zunächst über Stadtpolitik, doch dann wird er grundsätzlich: „Die Wahl markiert das Ende der demokratischen Erosion in der Türkei und das Wiederaufleben der Demokratie.“

Als Weltstadt setze Istanbul damit auch ein Zeichen der Hoffnung an andere Metropolen weltweit, die ebenfalls von autokratischen Herrschern unter Druck stünden. İmamoğlu hatte schon immer ein großes Sendungsbewusstsein und hat schon in der Vergangenheit zu erkennen gegeben, dass er mit dem Bürgermeisteramt nicht das Ende seiner Karriere gekommen sieht.

Seit Montagmorgen ist er nun endgültig einer der kommenden Politiker der Türkei. Der 53-jährige Oberbürgermeister der größten Stadt des Landes hat sich durch seine Wiederwahl endgültig in der ersten Reihe der türkischen Politik etabliert. Da die zentralistische Türkei keine Bundesländer hat, sind die Oberbürgermeister der größten Städte so etwas wie die Ministerpräsidenten der Länder in Deutschland – İmamoğlu ist nun der Mächtigste unter ihnen.

Bevor er vor fünf Jahren erstmals als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters für Istanbul antrat, war er politisch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er war Bezirksbürgermeister von Beylikdüzü, einem unbedeutenden Vorort im Westen der Metropole, und selbst in seiner Partei, der sozialdemokratischen CHP, noch weitgehend unbekannt. Die damalige Istanbuler Parteivorsitzende Canan Kaftancıoğlu schlug ihn als Kandidaten vor, weil er als praktizierender Muslim, der dennoch für die Werte der säkularen Republik eintrat, für die Mitte der Gesellschaft wählbar schien.

Schon länger in Erdoğans Visier

İmamoğlu schaffte das schier Unglaubliche und konnte der AKP nach 23 Jahren ununterbrochener Herrschaft trotz eines direkten Eingreifens von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der eine Wiederholungswahl erzwang, die Stadt abnehmen. İmamoğlu, der mit der Wissenschaftlerin Dilek İmamoğlu verheiratet ist und mit ihr drei Kinder hat, erwies sich in den Kämpfen im Frühjahr 2019 als begnadeter Wahlkämpfer und furchtloser Politiker.

Auch nachdem Erdoğan zähneknirschend den Wahlsieg İmamoğlus akzeptieren musste, setzte er seine Kampagne gegen den neuen Bürgermeister fort. Er sperrte Istanbul Gelder aus dem Staatshaushalt, stoppte Investitionen und sorgte dafür, dass die AKP- Fraktion, die im Stadtparlament noch eine Mehrheit hatte, dem Oberbürgermeister viele Knüppel zwischen die Beine warf. Außerdem wurde İmamoğlu aus Ankara ein offensichtlich politisch motiviertes Strafverfahren angehängt, in dem er in erster Instanz verurteilt wurde.

Doch İmamoğlu wehrte das alles ab und konnte am Sonntag die Früchte seiner Arbeit einfahren. Sein Wahlsieg ist so hoch, dass es keine Zweifel mehr geben konnte, auch im Stadtrat hat die CHP jetzt die Mehrheit. İmamoğlu ist damit zum wichtigsten Herausforderer Erdoğans geworden. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai letzten Jahres verwehrte der damalige CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu dem Istanbuler Oberbürgermeister es noch, gegen Erdoğan anzutreten. In vier Jahren, bei den Präsidentschaftswahlen 2028, wird İmamoğlu wohl die Opposition gegen Erdoğan vertreten. Wenn der alternde Patriarch dann überhaupt noch mal antritt.

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3 Kommentare

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  • Er kann es schaffen, aber die nächsten Jahre werden gefährlich. Sollte İmamoğlu antreten, könnte ein großer Teil der Erdoğan-Familie in Haft landen. Deswegen muss er mit hartem Widerstand rechnen und er muss es schaffen, stabile Verhältnisse herzustellen. Die alten türkischen Parteien waren ein Quell der Instabilität. Ein demokratische Türkei ist schwierig

  • Ich frage mich, ob eine solche Entwicklung - eine gestärkte Opposition von unten, also von den Kommunen oder Regionen aus - auch in Russland denkbar wäre. Nawalnys Organisation hat ja versucht, so was einzuleiten, mit einigen kleinen Erfolgen bei Regionalwahlen.

    Möglicherweise ist der Wahlprozess in Russland aber schon so stark manipuliert, dass dies nicht mehr einfach so möglich ist. Die Putinwahl deutet jedenfalls klar darauf hin.

  • Alte Leninsche Frage: Was tun?

    Wenn sich Europa - die EU - Schland vorweg!



    Kompromisslos auf die Seite der türkischen Zivilgesellschaft stellen!



    Endlich •