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MaerzMusik-Festival in BerlinEin kosmisches Piepsen

Vom theatralisch aufgemotzten Stockhausen bis zur Dudelsackmusik mit Donnergrollen: Bei der MaerzMusik gab es wieder allerlei Seltsames zu hören.

Musik im Bauch – Les Percussions de Strasbourg Foto: Fabian Schellhorn/Berliner Festspiele

O bere Reihe, von links der Fünfte: Das ist Karlheinz Stockhausen auf dem Prominentencover des „Sgt. Pepper“-Albums. So hat man schon mal den Beatles-Eintrag. Der Avantgardekomponist und Pionier der elektronischen Musik Stockhausen (1927–2007) hat aber noch mehr Spuren in der Popmusik hinterlassen. Seine Schüler Irmin Schmidt und Holger Czukay prägten mit Can den Krautrock. Unbedingt zitieren in diesem Zusammenhang muss man auch die schöne Zeile „Who is Mr. Herr Stockhausen?/ Introduce me/ I’m Damo Suzuki“ von The Fall aus dem Song „I am Damo Suzuki“, eine Würdigung des einstigen Can-Sängers Damo Suzuki.

Festivals sind ja eine prima Einrichtung zum Ausgehen und Rumsitzen

Aber wer dieser Mr. Herr Stockhausen ist, sollte man doch besser noch in dessen eigener Musik hören. Vergangene Woche konnte man das im Haus der Berliner Festspiele mit „Musik im Bauch“, einer Komposition Stockhausens aus dem Jahr 1975, der man bei der Festivalregie allerdings wohl ein wenig misstraut hat.

Denn gegeben wurde das Stück in einer recht aufgemotzten Inszenierung des Komponisten Simon Steen-Andersen, die auch wirklich toll zu begucken war auf der nebelverhangenen Bühne, auf der die Musikerinnen von Les Percussions de Strasbourg herumrollend im fahlen Licht die Musik verrichteten. Eine traumhafte, durchaus gespenstisch wirkende Szenerie. Klamm anrührend. Und unbefriedigend. Weil halt auch diese sehr ansehnliche Verpackung dem Pochen und Sirren samt dem, nun ja, kosmischen Piepsen der immer nur andeutungshaft verbleibenden Musik Stockhausen letztlich nicht wirklich auf die Sprünge helfen konnte.

Diese „Musik im Bauch“ war Teil des gerade zu Ende gegangenen Festivals MaerzMusik. Und Festivals sind ja eine prima Einrichtung zum Ausgehen und Rumsitzen. Wo man reinschmecken kann in einen größeren Zusammenhang, hier die Neue Musik. Und Sachen ausprobieren, sie in ein Verhältnis setzten. Das mag jetzt mal die Kategorie „deutsche Komponisten“ sein.

Dudelsack als musikalische Seltsamkeit

Zwei Tage nach der „Musik im Bauch“ war so bei der Maerz­Musik von Helmut Lachenmann (Jahrgang 1935) wieder im diesmal lange nicht so gut wie bei Stockhausen gefüllten Haus der Berliner Festspiele das Stück „Mouvement (– vor der Erstarrung)“ zu hören, gespielt vom Ensemblekollektiv Berlin.

Von einer Wechselwirkung von Lachenmann und Pop kann eigentlich nicht groß die Rede sein, seine aus den Anfangachtzigern stammende musikalische „Bewegung“ war ein schwer atmendes, lungenrasselndes, unterdrückt schreiendes, kreischendes und wieder verröchelndes, aufseufzendes, lustvoll zuckendes, zwischendurch verblüffend melodiöses und überhaupt sehr lebendiges Stück Musik. Unbedingt ein Golden Oldie der Neuen Musik. Gäbe es für diese manchmal doch seltsam schmeckende Musik eine Hitparade, sollte sie weit oben stehen.

Eine musikalische Seltsamkeit ist auch der Dudelsack. Ganz bestimmt kein Leitinstrument der Neuen Musik, wie er überhaupt seit dem Mittelalter ein wenig außer Mode gekommen ist und eigentlich nur mehr in einigen Folkloren, bei den Schotten, in Irland, seine Liedchen pfeift.

Aber irgendwas geht ja immer, und so hat auch dieses sackartige Instrument hier und da sein Plätzchen in der Neuen Musik gefunden mit seinem Balg. Zum Beispiel bei Heiner Goebbels (Jahrgang 1952), der früher mal selbst Pop gemacht hat oder zumindest so was Ähnliches mit einem Eisler-geschulten Freejazz, spontibeseelter Blasmusik mit dem Sogenannten Linksradikalen Blasorchester oder heftigen Kunstrock mit der Band Cassiber, bis er sich doch immer mehr in der sogenannten Hochkultur beheimatete.

Sein Dudelsack-Stück „N°20/58“ konfrontierte den Dudelsackspieler Erwan Keravec beim Konzert im Radialsystem mit einer Tonspur aus den Lautsprechern. Heftiges Gewitter war zu hören, prasselnder Regen, Donner, ein Naturspektakel. Wind und Wetter, und mittendrin der Dudelsack mit seinem singenden Klageton. Später wechselte die Natur mit Pochen und Hämmern in eine Industriehallenatmo, immer passierte was in der Soundcollage, schon auch wieder mal ein recht unterhaltsames Stück Neue Musik.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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