Aus für Kulturprojekt in Neukölln: „Die Enttäuschung wird wachsen“

Die SPD will keine Bottom-up-Projekte am Dammweg. Mondiale-Leiterin Sabine Kroner über die politische Kultur im Bezirk und die Folgen für den Kiez.

Das Bild zeigt ein Gewächshaus der Berlin Mondiale

Ende einer Idylle: Auch dieses Gewächshaus kann die Berlin Mondiale nun nicht mehr bespielen Foto: Pierre Adenis

taz: Frau Kroner, mit dem Künstlernetzwerk Berlin Mondiale, das Sie leiten, haben Sie drei Jahre lang den Campus am Neuköllner Dammweg bespielt. Was genau haben Sie da gemacht?

Sabine Kroner: Eigentlich waren es sogar sechs Jahre. In den drei Jahren davor haben wir darum gekämpft, auf das Gelände zu kommen. Das Grundstück, das dem Bezirk gehört, lag brach.

Es ist eine frühere Gärtnerei mit einer Streuobstwiese – eine Idylle.

Es sind zwei Hektar Land mitten in Berlin, eine aufgelassene Schulgärtnerei. Das war eine Ausbildungsstätte, die zur Carl-Legien-Schule gehörte, dort wurden junge Menschen zu Stadt­gärt­ne­r:in­nen ausgebildet. Die Schule hat dann den Schwerpunkt gewechselt und das Gelände aufgegeben.

Was ist da in den vergangenen drei Jahren passiert?

Als wir den Schlüssel bekommen haben, sah es zunächst aus wie ein Lost Place. Die Schule war verlassen, der Garten war verwüstet. Ende 2020 haben wir über das Kulturnetzwerk Neukölln einen Nutzungsvertrag für Bildung, Umweltbildung und ­kulturelle Bildung bekommen, der jedes Jahr verlängert werden musste. Für uns als Berlin Mondiale war klar, dass wir diesen Ort zunächst für die Nachbarschaft öffnen wollen. Das war damals zur Hochphase der ­Pandemie. Begegnungsräume ­im Freien waren unglaublich wichtig.

Die Politologin, Ethnologin und Germanistin Sabine Kroner, geboren 1978 in Freiberg (Sachsen), leitet seit 2015 die Berlin Mondiale. Sie studierte in Göttingen, Krakau und Warschau und lebt mit ihrer Familie in Neukölln und der Uckermark. Dort hat sie den Nach­barschafts­verein Battin e.V. mit­gegründet.

In unmittelbarer Nachbarschaft liegt die Weiße Siedlung, eine der Großsiedlungen in Neukölln, die in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht haben.

In der Weißen Siedlung wohnen 4.500 Menschen auf engstem Raum, die Hälfte davon ist unter 18 Jahre alt. Uns ging es also nicht darum, den nächsten Hipster-Place in Neukölln aufzumachen, sondern mit den Mitteln, die uns die Senatskulturverwaltung mit dem Programm „Draußenstadt“ zur Verfügung gestellt hat, den Garten zu öffnen. Wir haben viel zugehört und versucht, unser Programm mit den Multiplikatoren vor Ort gemeinsam zu entwickeln.

Wie war die Resonanz? Wer kam auf das Gelände?

Es gab Treffs von Seniorinnen aus der Weißen Siedlung. Wir haben mit der benachbarten Grundschule kooperiert, da sind Schulgartenbeete entstanden. Wir haben mit dem Quartiersmanagement zusammen deren Gebietskulisse erweitert. Über unser Netzwerk haben wir immer wieder versucht, mit Kindern von Geflüchteten zu arbeiten. Wir haben auch Programm für Kinder aus der Nachbarschaft gemacht, die nicht in die Ferien fahren konnten. Viele Projekte kamen auch zu uns, die haben dann Mittel aus anderen Töpfen mitgebracht. So haben wir mit dem Verein Mince drei Jahre hintereinander ein großes Festival mit der Schwarzen Community gemacht.

Berlin Mondiale hat viele Projekte in Berlin. Was ist das Besondere am Dammweg gewesen?

Berlin Mondiale hat kein Haus, also keine eigene Spielstätte. Für uns war der Dammweg eine Art Drehscheibe, eine Einladungsplattform. Wir haben dort nicht nur vor Ort Projekte gemacht, sondern auch zu Austauschveranstaltungen mit Kol­le­g:in­nen aus der ganzen Stadt eingeladen. Er war für uns auch ein Beispiel dafür, wie Kunst, Kultur und Stadtentwicklung in dezentralen Lagen ineinandergreifen. Um dezentrale Kulturarbeit zu machen, braucht es Ankerpunkte in den Nachbarschaften. Da bot der Dammweg viel Spielraum.

Für all das wird Berlin Mondiale auch von der Senatsverwaltung für Kultur gefördert. Was hat den Bezirk Neukölln bewogen, Sie vor die Tür zu setzen – trotz eines gegenteiligen Votums der Bezirksverordnetenversammlung? Ihre Arbeit kostet den Bezirk keinen Cent.

Der Bezirk hat die Agenda, eigene Räume mit eigenen Programmpunkten zu füllen, zum Beispiel mit der Musikschule zusammen. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir daran interessiert sind, im Rahmen der Zwischennutzung zu bleiben.

Langfristig plant der Bezirk am Dammweg einen Schulerweiterungsbau.

Die Pläne sind noch nicht final, deswegen war klar, dass die Zwischennutzung noch lange dauern wird. Wir haben immer gesagt, wir würden gerne in der Zwischennutzung bleiben, aber wir haben auch ein Interesse daran, uns in eine Phase einzubringen, wenn es dann aus der Zwischennutzung heraus in eine konkrete Gestaltung des Ortes geht – zum Beispiel multifunktionale Räume und eine Außenfläche für Kunst und Kultur.

Das hört sich so an, als sei die Kommunikation mit den Institutionen des Bezirks, mit der Verwaltung, aber auch mit der zuständigen SPD-Bildungs- und Kulturstadträtin Karin Korte, nicht immer einfach gewesen.

Wir waren immer in engem Austausch mit dem Fachbereich Kultur, da haben wir uns an einem Jour Fixe getroffen. Aber natürlich sind die Bezirksamtsstrukturen eher hierarchisch. Wir waren davon aus­gegangen, dass von der Fachbereichsebene auch nach oben zur Amtsleitung und zur Stadträtin kommuniziert wird. Das hat leider nicht so gut ­funktioniert. Bei Ver­anstaltungen haben wir aber immer Einladungen verschickt. Am Ende gingen die Erwartungen, was Kommunikationsstrukturen angeht, wohl auseinander. Das hat natürlich viel damit zu tun, ob ein echtes Interesse da ist oder nur Kontrolle. In der Realität war es dann so, dass die Bewilligungen für ein Jahr, die manchmal ­sogar erst Ende Dezember kamen, die kurz- und mittelfristige Einwerbung von Fördermitteln erschwert haben.

Es geht ja nicht nur um Kontrolle. Die Amtsleiterin wirft Ihnen auch vor, nach Ablauf der Zwischen­nutzung auf dem Gelände bleiben zu wollen – wie beim Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6, wo die Volkshochschule mit den Stadtteilmüttern und der Schillerwerkstadt einen befristeten Vertrag geschlossen hatte. Was ist da dran?

Solche Erfahrungen wurden im Bezirk mit Zivilgesellschaft gemacht. Aber die sollte man nicht eins zu eins übertragen. Wir sind kein aktivistisches Projekt. Wir sind senatsgefördert, wir hatten einen Zwischennutzungsvertrag. Als wir die Ansage bekommen haben, dass wir zum Jahresende runtermüssen, haben wir alles geräumt. Wir haben das Gelände besser hinterlassen, als wir es vorgefunden haben. Diese Pauschalisierung ist in meinen Augen kontra­produktiv.

Es gibt in diesem Konflikt auch eine politische Dimension. In einem internen Gutachten unterstellt die Amtsleiterin Berlin Mondiale eine Nähe zu den Grünen. Stimmt das?

Ich selbst bin persönlich nach Hanau bei den Grünen eingetreten. Für meine Arbeit spielt das keine Rolle. Berlin Mondiale ist nicht grün, rot oder schwarz, sondern überparteilich.

Werden in der Neuköllner SPD die Grünen als Feindbild aufgebaut? Es gibt im Bezirk doch eine rot-grüne Zählgemeinschaft.

Was in der Neuköllner SPD geschieht, kann ich nicht beurteilen. In der Vereinbarung der Zählgemeinschaft steht jedoch, dass man die Urbane Praxis in Neukölln als Ansatz umsetzen wolle. Der Dammweg wurde aus Mitteln der „Urbanen Praxis“, wo es ums „Stadtmachen“ mit Kunst und Architektur in Verbindung mit der Zivilgesellschaft geht, von der Senatsverwaltung gefördert. Insofern verstehe ich den Dammweg als Pilotprojekt der Urbanen Praxis in Neukölln. Das gibt es jetzt so nicht mehr. Das ist schon ein Verlust für die Nachbarschaft.

Der Bezirk will die Fläche und die Zwischennutzung neu ausschreiben. Warum beteiligen Sie sich nicht daran?

Bei einem vorgeschalteten Workshop hat der Bezirk skizziert, wie das Gelände perspektivisch verwaltet und geleitet werden soll. Die Strukturen, die dort aufgezeigt wurden, sind für uns sehr schwierig vorstellbar, da wir immer eher als Bottom-up gearbeitet haben. Die künftige Struktur macht auf mich einen gegenteiligen Eindruck. Auch ist noch völlig unklar, wie die künftigen Akteure ihre Projekte finanzieren sollen. Da müssen erst wieder Drittmittel akquiriert werden.

Wer sind die Leidtragenden?

Die unmittelbare Nachbarschaft, die den Raum nicht mehr offen vorfindet. Wir hatten sieben Tage die Woche geöffnet. Die Menschen in der Weißen Siedlung sind wieder auf ihr Gelände zurückgeworfen. Das gehört einem Investor, der Adler Group. Die Enttäuschung über Politik und Verwaltung war vorher schon riesengroß, und die wird weiter wachsen. Das macht mir große Sorgen, wenn ich an die Zukunft der Demokratie denke.

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