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„Es ist Zeit, die Dinge richtigzustellen“

Docta ist einer der bekanntesten Graffitikünstler Afrikas. Der Kontinent müsse Verantwortung für sich selbst übernehmen, sagt er – und dazu vor allem seine eigene Identität verteidigen

Aus Dakar Gabrielle Sokeng

Aus DakarGabrielle Sokeng

Amadou Lamine Ngom, Künstlername Docta (Wolof für „Arzt“), startete 1988 zunächst allein als Sprayer, 1994 gründete er die erste Graffiti-Künstlergruppe Afrikas, Doxandem Squad.

Afrika ist heute einem wachsenden Einfluss globaler Mächte unterworfen. Als Künstler versuchen Sie, dagegen eine afrikanische Identität zu behaupten. Was für eine Identität ist das?

Docta:Auf unserem Kontinent haben wir viele Dinge zu sagen und zu zeigen. Wir leben in einem globalen Dorf mit digitaler Technologie. Dinge, die von anderswo kommen, dringen in unser Universum ein. Aber wir passen uns ihnen an, ohne unsere Identität aufzugeben. Es ist diese Identität, die uns in der Welt einzigartig macht: eine visuelle Identität, eine akustische Identität, eine Kleidungsidentität, eine Identität der Farben. Der globale Einfluss ist da, wir passen uns ihm an, und bleiben zugleich so, wie wir sind.

Wie zeigt sich das in Ihrer Arbeit?

In meinen Wandbildern schreibe ich in Wolof, der Nationalsprache Senegals. Meine Werke zeigen Szenen des Lebens, das ich jeden Tag sehe. Über 90 Prozent aller in meinen Werken dargestellten Menschen sind Afrikaner:innen, keine Europäer:innen.

Ist Graffiti für sie eine Form des politischen Kommentars?

Ja. Meine Straßenkunst erzählt po­litische oder soziale Ge­schichten, die mit den Beziehungen Afrikas zu den Weltmächten zusammenhängen. Wir weisen darauf hin, dass junge Afrikaner:innen, die nach Europa oder in die USA gehen, zur Wirtschaftsleistung dieser Länder beitragen. Sie zahlen dort Steuern, sie stellen ihr Wissen für die Entwicklung dieser Länder zur Verfügung. Sie sollten als „Expatriates“ betrachtet werden.

Ihre Arbeit wird auch mit Geld der EU finanziert.

Die Europäische Union hat mich nicht finanziert, ich habe für sie als Dienstleister im Ausland gearbeitet. Dabei ändern wir nicht unsere Ausrichtung, um Finanzierung zu erhalten. Und ihr Geld wird nicht umsonst gegeben. Wir tun etwas und sie finanzieren es.

Ihre Werke sind sehr kritisch. Hat das schon dazu geführt, dass Sie Schwierigkeiten hatten, Fördermittel oder Visa zu bekommen?

Ja, das passiert uns dauernd. Wenn man mit bestimmten Dingen nicht einverstanden ist, blockieren die Leute einen, ohne es einem zu sagen. Manchmal reicht man alle nötigen Unterlagen für eine Finanzierung oder ein Visum ein, aber man erhält eine Ablehnung.

Wie gehen Sie damit um?

Wir nutzen neue Technologien. So kann man uns nicht davon abhalten, uns auszudrücken. Wir schaffen dauerhafte eigene Werke, auch wenn es sich um Wandbilder handelt, die zerstört werden können. Wir machen Videos und laden sie auf unseren Plattformen im Netz hoch. So kommt unsere Botschaft trotzdem an.

Ein wichtiger Teil ihrer Botschaft ist die Rolle, die Afrika in der Welt spielen soll. Welche Rolle sollte das sein?

Afrika muss sich selbst finden und sich von dem kolonialen System befreien, das uns 300 Jahre lang unterdrückt hat. Die jungen Menschen in Afrika brauchen die Freiheit, sich zu entwickeln. Wir sind gegen alle Länder, die kommen, um uns auszuplündern. Afrika kann Einfluss auf den Rest der Welt ausüben. Und das hat bereits begonnen. Sehen Sie sich an, was in Mali, Burkina Faso, Niger und Ruanda passiert.

Unterstützen Sie die Militärputsche dort?

Es ist keine Unterstützung für Staatsstreiche, sondern eine Unterstützung für den Willen des Volkes, die Führer, die Handlanger des Kolonialsystems sind, aus dem Amt zu entfernen. Das Militärregime will niemand. Aber wenn es die richtige Lösung ist, dann nehmen wir sie. Wenn die Politiker dieses koloniale System beibehalten wollen, ist es in Ordnung, dass wir sie austauschen. Afrika hat das Recht, frei zu sein. Wir sind 54 Staaten mit je eigener Intelligenz und Würde. Ihre Bevölkerungen müssen sich behaupten, indem sie Verantwortung übernehmen. Unsere Führer müssen die Wahl haben, und die europäischen Länder müssen uns als Partner sehen. Sie müssen aufhören, unsere Ressourcen zu plündern. Afrika muss seinen Platz auf der Weltbühne finden, indem es sich die Macht verschafft, zu verhandeln.

Wie soll Afrika die Macht erlangen, die sie sich wünschen?

Die meisten Länder, die sich als entwickelt bezeichnen, verfügen über Ressourcen, die von uns stammen. Afrika ist heute dabei, sich selbst wiederzufinden. Seine Söhne und Töchter machen sich in vielen Bereichen der Welt einen Namen. Wir müssen diese Dynamik unterstützen und vorantreiben. Es ist an der Zeit, die Dinge richtigzustellen.

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