Polizeipräsident über Bauernproteste: „Auch hier zeigen wir Grenzen auf“

Allein in Oldenburg waren 5.000 Traktoren unterwegs. Polizeipräsident Johann Kühme über friedliche Bauern, bedrohte Politiker und hilflose Polizisten.

Eine Ampel hängt an einem Strick

Aufgehängte Ampel beim Bauernprotest am Montag: Ob das wohl wörtlich verstanden werden soll? Foto: Kay Nietfeld/dpa

taz: Herr Kühme, Straßenblockaden, Hupkonzerte, Schleichfahrten mit Bannern, markige Reden – die Landwirte protestieren. Wie bewerten Sie diese Proteste aus polizeilicher Sicht generell?

Johann Kühme: Im Bereich unserer Oldenburger Polizeidirektion sind gut 5.000 Traktoren unterwegs gewesen, ungefähr 2.800 bei 100 Blockadeaktionen, rund 2.400 auf 77 sogenannten Schleichfahrten mit jeweils 20, 30 oder 40 Traktoren. Das ist schon eine erhebliche Anzahl.

War der Protest friedlich?

Friedlicher Protest ist natürlich legitim. Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland zu Recht ein hohes Gut, und sie wird von der Polizei geschützt. Das ist unser Job, das machen wir seit Jahrzehnten. Aber es gibt natürlich auch Problemsituationen – und zwar immer dann, wenn der legitime Rahmen verlassen wird.

Ist das geschehen?

Ja, in Einzelfällen. Wenn es im laufenden Betrieb auf den Autobahnen zu Blockaden kommt, dann kann es Gefahrensituationen geben. Ein weiteres Problem ist die Bedrohung und Beleidigung von Amts- und Mandatsträgern. Hinzu kommt das Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen, eine mögliche Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen.

Es gibt die Aussage von Bauernverbandspräsident Joachim Ruckwied, er wolle nicht, dass Rechte bei den Protesten dabei sind und sie instrumentalisieren. Sieht die Praxis anders aus?

Ich begrüße, dass der Bauernverbandspräsident das so deutlich gesagt hat. Bei uns gab es in einem Fall einen Ausschluss von der Demonstration, durch die Landwirte selbst, in einem anderen Fall ist die Teilnahme einer Person geduldet worden.

Jahrgang 1958, war unter anderem Leiter des Polizeiabschnitts in Leer, Direktor der Polizei Oldenburg-Stadt/Ammerland und ist seit 2003 Polizeipräsident in Oldenburg.

Gab es Härten in der Auseinandersetzung?

Ganz weit überwiegend handelte es sich um einen friedlichen Verlauf, die Landwirte waren weitgehend kooperativ. Im Landkreis Oldenburg allerdings wurde heute Morgen ein Galgen errichtet, an dem eine Ampel hing. Daneben brannte ein Heuhaufen. Damit soll natürlich auch eine Botschaft platziert werden. So etwas ist schlimm, einfach widerlich. Das soll manipulieren und das finde ich ganz problematisch. Wenn wir so etwas feststellen, leiten wir konsequent Strafverfahren ein.

Es geht bei diesen Protesten also nicht nur um die Abwehr von Subventionskürzungen, sondern da mischt sich anderes bei, antidemokratische Tendenzen von Verschwörungsideologen oder die Umsturzfantasien von Querdenkern?

Der Schwerpunkt sind schon die Belange der Landwirte. Und die Landwirte verhalten sich insgesamt wirklich kooperativ. Aber es gibt klar erkennbare Versuche, die Proteste von außen zu beeinflussen.

Wenn die Letzte Generation eine Straße blockiert, wird ja schnell von Terrorismus gesprochen, da wird schnell ein Verfahren eingeleitet, auch von Seiten der Polizei. Müsste das nicht eigentlich auch bei den Landwirten geschehen, die ja im Grunde dasselbe tun, nur aggressiver, massiver?

Wenn ich mir vorstelle, dass alle, die eine Versammlung unter freiem Himmel durchführen wollen,einen Traktor nutzen würden, hätten wir sicher ein Problem. Was wollen Sie machen, wenn 100 Traktoren einen Tunnel blockieren? Aber auch bei den Landwirten zeigen wir Grenzen auf. Wir haben heute bisher 35 Strafverfahren eingeleitet, weit überwiegend wegen der Blockaden auf den Autobahnen. Da gibt es also keine Ungleichbehandlung. Der Unterschied ist: Traktoren kann man nicht einfach so beseitigen. Die können wir nicht von der Straße tragen.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Diskurskultur unserer Gesellschaft? Da ist ja viel Demagogie im Spiel, viel Manipulation. Wirkt sich das auch auf die Proteste aus?

Bei den Versammlungen selbst ist das nicht so sehr zu spüren. Aber in der Anonymität der sozialen Medien, denn da ist man ja im Grunde nicht angreifbar.

Ist es im Vorfeld der Proteste zu Drohungen gegen lokale oder regionale Politiker gekommen?

Ja. Da ging es zwar um eine Klinikschließung, aber die Demonstration heute sollte instrumentalisiert werden: Fahrt da doch auch mal hin, hieß es.

Ist das geschehen?

Nein, bisher nicht.

Wie groß war die Bandbreite der Demonstrationen? Ideologisch?

Das ist schwer zu sagen. Das hat man ja auch gesehen, als Minister Habeck auf der Fähre drangsaliert wurde. Da waren 150 Landwirte vor Ort, und dann kam offensichtlich eine kleine Gruppe von außen dazu, die keiner kannte. Ob von dieser Gruppe allerdings die Gewalt ausging, steht zurzeit nicht fest. Ich glaube, vielen Landwirten ist eine solche Eskalation nicht recht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.