Wenn das Auto-Ich spricht

Im ehemaligen Karstadt-Sport nahe dem Ku'damm vermittelt Künstler Lawrence Lek das Gefühl von einer autogerechten Stadt der Zukunft

Von Sophie Jung

Die Kaufhäuser der Nachkriegsmoderne, sie gehören zu einer Idee von Stadt fürs Automobil, wie sie über Dekaden in der DDR wie der BRD verfolgt wurde. Eine von breiten Autoachsen umgebene Einkaufszone liegt in ihrem Zentrum, Parkmöglichkeiten anbei, und gewohnt wird vorzugsweise in Suburbia.

Auch das ehemalige Bilka-Warenhaus nahe dem Kurfürstendamm wurde von dem Architekten Hanns Dustmann in den späten 1950er Jahren nach diesem Paradigma entworfen. Bekannter ist der Architekt Dustmann eher für das Kranzler-Eck, das er dem Warenhaus anfügte, weniger aber dafür, dass er 1944 – so steht es auf Wikipedia – auch in die Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda aufgenommen wurde. Von Dustmanns Kranzler-Kuppel aus kann man heute über den Ku'damm schauen und beobachten, wie der architektonische Typus des Kaufhauses mittlerweile zum Ertragsversprechen für Immobilieninvestoren wurde. Über dem Karstadt gleich gegenüber plante der Immobilienriese René Benko noch im Sommer letzten Jahres zwei Hochhäuser. Benkos Firma Signa hat derweil Insolvenz angemeldet, die Hochhäuser bleiben zunächst nur Projekt.

Das Bilka-Kaufhaus mit seinem eher piefigen Fassadenmosaik und seinen Kuppeln steht aber unter Denkmalschutz, so einfach lassen sich darüber keine Hochhäuser stülpen. Bis 2020 befand sich darin der Karstadt Sport, seitdem steht es leer. Die Eigentümerin, die Investmentgesellschaft Axa IM Alts, will dort ab 2025 eine „prominente Kultureinrichtung“ ansiedeln. Derzeit bespielt der in London lebende Künstler Lawrence Lek mit seiner immersiv-dunklen Multimediainstallation „Nox“ das Haus. Organisiert hat sie die private LAS Art Foundation.

In Dustmanns leerem Kaufhaus holt Lek einen nun in eine Welt hinein, in dem das Automobil zum totalen Subjekt geworden ist. Schwarze Limousinen stehen einsam in den leeren Hallen. Runde Autoscheinwerfer werfen ihre Strahlen in Dunkle, als stünde man nachts einsam mit einer Panne auf der Landstraße.

Die Limousinen, sie sprechen buchstäblich mit einem. Erzählen von vergangenen Zeiten, an denen sie noch eines Fahrers am Steuer bedurften, um sich fortzubewegen. Und sie erwähnen einen übermächtigen „Sponsor“. Dieser scheint die Maschinen wie auch die gesamte Szenerie nur noch nach ihrer wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit zu werten.

Auf einer großen Leinwand cruist ein solches Auto ohne Fahrer durch eine dystopische Landschaft. Immer wieder taucht in dem glutroten Abendlicht der Videoprojektion auch Dustmanns Karstadt-Sport auf. Nun in eine Landschaft mit breiten Straßen getaucht, in der sich menschliches Leben allenfalls in den verrotteten Hochhäusern am Horizont ablesen lässt. Das soll wohl die autogerechte Stadt der Zukunft sein – und sie ist eine total durchkapitalisierte.

„Nox“: Lawrence Lek, LAS Art Foundation im Kranzler-Eck, bis 14. Januar