World Press Photo Ausstellung in Ungarn: Zutritt für Minderjährige verboten
Eine Fotoausstellung, die LGBTIQ-Leben zeigt, geht der erzkonservativen ungarischen Regierung zu weit. Ein Gesetz macht das Verbot möglich.
Die Vorwürfe beziehen sich auf die von WPP preisgekrönte Fotoserie „Home for the Golden Gays“ der philippinischen Fotografin Hannah Reyes Morales im Auftrag der New York Times. Die Serie zeigt eine Wohngemeinschaft älterer LGBTIQ-Personen auf den Philippinen.
„Das Projekt ist gut umgesetzt, wunderschön fotografiert und stellt die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft erfolgreich in den Mittelpunkt, anstatt sich der Verzweiflung hinzugeben“, hatte die WPP-Jury geurteilt. Die beanstandete Ausstellung läuft bereits seit 22. September und endet diesen Sonntag.
Ins Rollen kam das Verbot infolge einer Beschwerde von Dóra Dúro, Abgeordnete und Vizepräsidentin der Rechtsaußenpartei Mi Hazánk Mozgalom (Unsere Heimat). „Wie die LGBTIQ-Minderheit lebt, ist nicht das größte Problem der Welt“, sagte Dúró zur Associated Press. „Was wir als normal ansehen und was wir als wertvoll vermitteln, beeinflusst Kinder. Diese Ausstellung ist eindeutig schädlich für Minderjährige und, glaube ich, auch für Erwachsene.“
Orbán fördert eine konservativ-christliche Agenda
Sprecher der Regierung
Eine Altersbeschränkung ihrer Ausstellungen habe es laut WPP innerhalb der EU definitiv noch nie gegeben. Selbst weltweit betrachtet waren der 1955 gegründeten und in Amsterdam beheimateten Organisation auf taz-Anfrage keine vergleichbaren Fälle erinnerlich.
„Ich war überrascht, von dieser Entscheidung zu hören. Diese Bilder enthalten nichts Explizites oder Beleidigendes“, sagte WPP-Direktorin Joumana El Zein Khoury. Die Fotoserie sei eine „nachdenkliche und ehrliche Aufzeichnung des Lebens einer LGBTIQ+ Gemeinschaft“. Die Direktorin ermutige jeden, sich die Bilder auf der WPP-Website anzusehen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
Ein Sprecher der ungarischen Regierung bekräftigte auf taz-Anfrage die ursprüngliche Begründung. „Die ungarische Regierung engagiert sich für den Kinderschutz. Daher hat das Ministerium für Kultur und Innovation, das das Museum betreibt, die Institution aufgefordert, die Einhaltung des Schutzes der Familien sicherzustellen.“
Auf taz-Nachfrage, ob es keinen weniger drastischen Weg als ein komplettes Verbot für Minderjährige gegeben hätte, kam keine Antwort. Das Ungarische Nationalmuseum berief sich nur darauf, die Vorgaben des Ministeriums auszuführen.
Bücher in Plastikfolie, Zehntausende Euro Strafe
Die nationalistische Regierung von Premierminister Viktor Orbán fördert seit Jahren eine christlich-konservative Agenda. Mit ihrem hoch umstrittenen „Kinderschutz“-Gesetz verbot sie die „Darstellung und Förderung von Homosexualität“ auch in Büchern und Filmen, die für unter 18-Jährige zugänglich sind.
Im Sommer musste etwa die Buchhandelskette Lira eine Rekordstrafe von 32.000 Euro zahlen, weil sie den Comic „Heartstopper“ von Alice Oseman im Angebot hatte. Darin verlieben sich zwei Teenagerjungs ineinander. Das Gesetz sieht vor, dass Bücher mit Darstellungen von Homosexualität in Plastikfolie verpackt verkauft werden müssen, dies war bei Lira bewusst nicht der Fall. Die Kette will den Strafbescheid „mit allen rechtlichen Mitteln“ bekämpfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“