EU dreht Geldhahn zu

Die EU setzt Zahlungen für Entwicklungsprojekte in Palästina aus. Alle Projekte werden überprüft

Aus Brüssel und Berlin Eric Bonse
und Tanja Tricarico

Es ist eine der brutalsten Attacken auf Israel seit Jahrzehnten. Nun reagiert die EU-Kommission auf den Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas mit dem vorläufigen Ende der Entwicklungszusammenarbeit in den Palästinensischen Gebieten, wie EU-Kommissar Olivér Várhelyi – zuständig für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, via X, früher Twitter, mitteilte.

Das bedeutet konkret: Alle Zahlungen werden sofort eingefroren, alle Projekte werden geprüft, Budgetvorschläge für 2023 werden verschoben. „Das Ausmaß an Brutalität und Terror gegen Israel ist eine Zäsur“, schrieb Várhely. „Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht ­geben.“ Die EU gilt als größter Geldgeber. Allein von 2017 bis 2020 flossen rund 1,3 Milliarden Euro aus Europa in die Palästinensergebiete. Mit dem Geld werden Gehälter und Pensionen der Palästinenserverwaltung im Westjordanland bezahlt, aber auch Sozialhilfe für Bedürftige sowie Entwicklungsprojekte in Bereichen wie demokratische Regierungsführung. Für Flüchtlinge kommen weitere 159 Millionen aus dem EU-Haushalt hinzu. Allerdings lässt die Kontrolle der Gelder, die ausdrücklich nicht für Hamas bestimmt sind, zu wünschen übrig. Das EU-Parlament hat deshalb Beschwerde eingelegt.

Neben Korruptionsvorwürfen gegen Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas gibt es auch immer wieder Berichte, dass Israel von der EU finanzierte zivile Infrastruktur zerstöre. Diese Berichte hatten jedoch keine erkennbaren Konsequenzen. Kritisiert wurde zudem immer wieder die Haltung der EU gegen­über der Türkei, die mehr oder weniger ­offen Sympathien für den Terror der Hamas und anderer islamistischer Organisa­tio­nen zeigt.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte bereits am Sonntag erklärt, dass die deutschen finanziellen Hilfen etwa für den Aufbau von Infrastrukturprojekten, für Vorhaben bei der Wasserversorgung, im Bereich Bildung und Gesundheit in den Palästinensischen Gebieten „auf den Prüfstand gestellt“ werden. Wie ein Sprecher des Entwicklungsministeriums am Montag bestätigte, würde bei sämtlichen Vorhaben immer überprüft, an welche Organisation Geld fließe. Jetzt seien die Zahlungen und Projekte vorübergehend ausgesetzt. Geprüft werde mit offenem Ausgang.

Mit dem Geld werden auch Sozialhilfe­leistungen für Bedürftige gezahlt

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte die Bundesregierung aufgefordert, die finanzielle Unterstützung der Palästinenser sofort zu beenden. „Der palästinensische Terror, den wir sehen, wurde auch mit deutschen Steuermitteln finanziert. Alle Vereine, die mit der Hamas oder Fatah verbunden sind oder sich mit ihnen solidarisieren, müssen überprüft und, wenn nötig, verboten werden.“ Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wies am Montag zurück, dass die Bundesregierung die Hamas finanziere: „Es geht kein deutsches Geld an Terroristen.“

Das Auswärtige Amt verfügt über Mittel für die unmittelbare humanitäre Hilfe, also zum Beispiel für Nahrungsmittel oder medizinische Nothilfe. Geld für dieses Jahr – rund 73 Mil­lionen Euro – sei bereits zugewiesen. Größtenteils ist der Betrag bereits ausgezahlt, der Rest wird angewiesen, um lebensrettende Aufgaben zu erfüllen. Wie im Entwicklungsministerium werden auch die Hilfszahlungen aus dem Auswärtigen Amt streng überprüft.

Die Europäische Union verurteilte den Angriff der Hamas scharf und stellte sich vorbehaltlos hinter Israel. Am Dienstag wollen die EU-Außenminister bei einer informellen Sondersitzung in Maskat (Oman) über das weitere Vorgehen beraten. Dort findet gerade ein EU-Treffen mit Vertretern der arabischen Golfstaaten statt. Diese könnten auch Einfluss auf Hamas ausüben, sagte der Sprecher von EU-Chefdiplomat Josep Borrell.