Unruhe bei den DFB-Frauen: Was will MVT?

Im Trainingscamp des DFB-Teams gibt es nur ein Thema: Martina Voss-Tecklenburg. Selbst der Besuch des Kanzlers kann daran nichts ändern.

Interimsbundestrainer Horst Hrubesch hakt sich bei Marina Hegerine ein und geht mit ihr über den Rasen.

Wie hältst du’s mit MVT? Interimsbundestrainer Horst Hrubesch mit Marina Hegering Foto: Jan Huebner/imago

FRANKFURT AM MAIN taz | Eigentlich hätte Horst Hrubesch aus dem Dialog am Anstoßkreis auf dem DFB-Campus einiges mitnehmen können. Wenn der mächtigste Mann des Landes dem Interimstrainer der deutschen Fußballerinnen im Sprühregen ehrfurchtsvoll zuhört und bald darauf am Platzrand versichert, für die Nations-League-Spiele gegen Wales ins Sinsheim (Freitag 17.45 Uhr/ARD) und dann gegen Island in Reykjavík (20 Uhr/zdfsport.de) die Daumen zu drücken, ist das ja ein Ansporn.

Dass seine Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg wenig später mit ihrem ersten Statement seit ihrer Erkrankung dazwischenfunken würde, konnte er da noch nicht wissen. Ihre Botschaft: Die Bundestrainerin möchte bald die WM-Analyse fortsetzen und dann weitermachen. Sie sei jedenfalls zur Zusammenarbeit bereit und erwarte „kurzfristig einen Termin“. Wie bitte?

Der DFB reagierte am Mittwoch mit größter Zurückhaltung. „Wir möchten klarstellen, dass uns Martina Voss-Tecklenburg übermittelt hat, erst nach einer Bedenkzeit für ein persönliches Gespräch nach ihrem Erholungsurlaub zur Verfügung zu stehen. Dies haben wir natürlich respektiert und so eingeplant.“ Erst nach dem Urlaubs­ende wolle man mit der 55-Jährigen reden. Diesem Austausch „wollen und werden wir nicht vorgreifen“. Priorität hätten die Länderspiele.

Martina Voss-Tecklenburg

„Mein ganzes Interesse gilt dem Wohl und dem Erfolg dieser mir ans Herz gewachsenen Mannschaft“

Hinter den Kulissen ist die Verstimmung über die Unruhestifterin groß, auch weil sie die erste Arbeitswoche des Nothelfers Hrubesch empfindlich stört. Dass angeblich ihr ganzes Interesse dem „Wohl und dem Erfolg dieser mir ans Herz gewachsenen Mannschaft“ gilt, könne nicht ernst gemeint sein, heißt es aus dem Team hinter dem Team, das teils mit blankem Unverständnis reagiert.

Genervter Interimstrainer

Hrubesch hatte bereits am Montag am Mannschaftshotel an der Frankfurter Messe schwer genervt auf Nachfragen zu MVT reagiert. „Das ist jetzt nicht mein Bier“, entgegnete er auf die Frage, was er davon halte, dass seine Vorgängerin zurückkommen wolle. Er möchte den Fokus auf die Olympiaqualifikation lenken, die nach der Auftaktniederlage gegen Dänemark schwer genug wird. Hrubesch wird von Voss-Tecklenburg übrigens als „qualifizierte Zwischenlösung“ tituliert. Immerhin.

Das Pingpongspiel um die öffentliche Deutungshoheit geht munter weiter. Es ist offenkundig, dass Voss-Tecklenburg ihren Arbeitgeber nicht so vertrauensvoll behandelt, wie sie schreibt. Mit ihrer Einlassung, mit der sie auf Instagram mehrere Fotokacheln gefüllt hat, setzt die frühere Sympathieträgerin ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Während sich viele im DFB-Umfeld fragen, was die 55-Jährige mit ihrem Vorstoß bezweckt, darf man sie getrost als Affront bezeichnen.

Es gehört jedenfalls eine gehörige Portion Chuzpe dazu, sich am Tag des Kanzlerbesuchs auf einem privaten Social-Media-Account so forsch zu positionieren. Bezeichnend ist auch, wem der Post gefallen hat: Marina Hegering hat mit einem Herzchen ihre Zustimmung bekundet, aber damit war die Abwehrspielerin aus dem aktuellen Kader ziemlich allein. Ansonsten blieben die in den sozialen Medien oft in Sekundenschnelle reagierenden Spielerinnen verdächtig ruhig.

Die ablehnende Haltung gegenüber Voss-Tecklenburg ist verbürgt, das sportliche und kommunikative Desaster bei der WM in Australien ebenso. Dass sich Akteurinnen in den Analysen gegen sie ausgesprochen haben, weiß die 2018 auf Hrubesch gefolgte Cheftrainerin. Sie soll darauf bestürzt reagiert haben. Am 8. September vermeldete der DFB dann ihre Erkrankung.

Voss-Tecklenburg schrieb nun, sie sei „auf dem Wege der Besserung“, allerdings sei dieser Prozess „noch nicht zu 100 Prozent abgeschlossen“. Präsident Bernd Neuendorf ließ zuletzt unerwähnt, dass seine Angestellte mit Erlaubnis bereits Vorträge bei Verbandstagen von Zahnärzten und Vertretern der Bauindustrie gehalten hat.

Dem Verbandschef fällt überhaupt gerade einiges auf die Füße. Wenn der 63-Jährige zur WM gereist wäre, hätte er zum einen wie Südafrikas Verbandschef Danny Jordaan vor Ort für die Ausrichtung der WM 2027 werben können. Jetzt spannte er noch hektisch den Kanzler vor den Karren, der eine Banderole mit Werbung für die Bewerbung hochhalten musste. Zum anderen hätte Neuendorf im deutschen Quartier die atmosphärischen Verstimmungen gespürt und hätte nicht mühsam nachträglich ergründen müssen, was alles schiefgelaufen ist.

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