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Hamburger Bankier Olearius drohen zehn Jahre Haft

Wegen schweren Steuerbetrugs mit Cum-Ex-Deals muss sich der Gesellschafter der Warburg-Bank seit gestern in Bonn vor Gericht verantworten

Vor dem Bonner Landgericht hat ein Strafverfahren gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius begonnen. Dem persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank M.M. Warburg wird besonders schwere Steuerhinterziehung in 14 Fällen vorgeworfen – in der Hochphase der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte von 2006 bis 2011.

Dabei schoben Banken und andere Finanzakteure rund um den Dividendenstichtag Aktien mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch zwischen Beteiligten hin und her. Am Ende erstatteten Finanzämter nicht gezahlte Steuern. 2012 schloss der Staat das Schlupfloch. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte Steuerhinterziehung sind.

Olearius’Taten rechnen die Ankläger einen Steuerschaden von 280 Millionen Euro zu. Staatsanwältin Stephanie Kerkering und ihr Kollege David Pagenkemper lasen die Anklagepunkte abwechselnd drei Stunden lang vor. Aus ihrer Sicht reiht sich Olearius nahtlos ein in das „Who is Who“ des größten Steuerbetrugs der Bundesrepublik.

Der 81-Jährige hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seine Anwälte wollen am Mittwoch im Gerichtssaal auf die Vorwürfe antworten. Bis März 2024 sind noch 27 Verhandlungstage geplant. Dem früheren Warburg-Chef drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Eine zentrale Frage des Verfahrens ist, ob Olearius eine treibende Kraft war und ob ihm klar war, was er tat. Ja, sagen die Ankläger: Er sei einer der Initiatoren gewesen. „Der Angeklagte war darüber informiert und steuerte maßgeblich“, sagte Staatsanwältin Kerkering. Er sei in Krisensituationen eingebunden gewesen, um Risiken abzuwenden, und ihm sei bekannt gewesen, dass das Cum-Ex-Geschäftsmodell auf der Anrechnung beziehungsweise Erstattung von Steuern beruhte, die gar nicht gezahlt worden waren: „Ihm war bewusst, dass es sich um unzutreffende Angaben handelte.“ Bedenken eines Fachmanns zur Rechtmäßigkeit im Jahr 2010 habe Olearius vom Tisch gewischt.

Olearius spannte der Bonner Anklageschrift zufolge den SPD-Politiker Johannes Kahrs und den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk (auch SPD) für seine Zwecke ein. Außerdem kam es zu drei Treffen mit dem heutigen Bundeskanzler und damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), an deren Inhalt sich dieser heute nicht mehr erinnern will.

„Es ging darum, akut drohende Steuerrückzahlungsbescheide mit Druck auf Entscheidungsträger zu verhindern“, sagte Staatsanwalt Pagenkemper. „Er suchte mehrfach das direkte Gespräch mit Scholz, was zum Aufbau politischen Drucks in der Finanzbehörde führen sollte.“ In einem Schreiben, das er Scholz übergab, habe Olearius falsche Angaben gemacht, um den Sachverhalt zu verschleiern. (dpa)

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