Biblische Katastrophe in Griechenland

Erst eine Hitzewelle, dann Waldbrände, jetzt die Überschwemmungen durch das Sturmtief „Daniel“. Die Debatte über den Klimawandel ist verhalten, aber Athen setzt auf Erneuerbare

Trümmer am Strand von Kala Nera, Griechenland Foto: Louisa Gouliamaki/reuters

Aus Athen Ferry Batzoglou

Das Sturmtief „Daniel“ mit seinem tagelangen Starkregen hat in Griechenland, Bulgarien und der Türkei Zerstörung, Chaos und Tod hinterlassen. Nach Angaben der Behörden starben mindestens 15 Menschen. In den am stärksten betroffenen Hochwassergebieten in Zen­tralgriechenland hat die Feuerwehr laut Regierungsangaben fast 900 Menschen aus den Wassermassen gerettet. An den Einsätzen seien Spezialisten für Wasserrettung und Taucher der Katastrophenschutzeinheiten sowie Soldaten beteiligt, sagte ein Sprecher. In Griechenland haben vier Menschen bisher ihr Leben verloren, sechs weitere werden vermisst. Ein Regierungssprecher wies darauf hin, dass in einigen Gebieten binnen zwölf Stunden mehr als das Doppelte der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge gefallen sei.

Eines der Zentren der Katastrophe: Die 85.000 Einwohner zählende Hafenstadt Volos. Sie war am Donnerstag den dritten Tag in Folge ohne Leitungswasser und Strom. Die nahe thessalische Ebene, das Herz der A-grarproduktion in Griechenland, hat sich indessen in ein riesiges See- und Schlammgebiet verwandelt. Der angerichtete Schaden alleine in der griechischen Landwirtschaft geht in die Milliarden Euro.

Damit nicht genug: In Griechenland sind nach Tagen sintflutartigen Regens viele Brücken eingestürzt, Straßen und archäologische Stätten zerstört und verschlammt: die Griechen sprechen mit Blick auf das Sturmtief namens „Daniel“ von einer „biblischen Katastrophe“.

Die Überschwemmungen am Donnerstag konzentrierten sich auf Karditsa in der Mitte des Landes. Menschen flüchteten vor dem Wasser auf die Dächer ihrer Häuser. Für den weiteren Verlauf des Tages wurde noch mehr Regen vorhergesagt. In einigen Gebieten stand das Wasser mehr als zwei Meter hoch. Die Einsatzkräfte nutzten Kettenfahrzeuge und Boote, um Menschen zu evakuieren. Wegen der häufigen Blitze konnten Hubschrauber nicht fliegen.

Der Starkregen hatte am Dienstag mit einer enormen Intensität begonnen. Noch vor wenigen Wochen hatte Griechenland mit verheerenden Waldbränden zu kämpfen. Ob die Urlaubsinsel Rhodos oder die Grenzregion Evros mit seinem Nationalpark Dadia: laut dem Europäischen Informationssystem für Waldbrände (EFFIS) verbrannte in diesem Jahr in Hellas eine Fläche von 173.843 Hektar. Dies entspricht gut einem Prozent der Landesfläche.

Erst eine ungewöhnlich lange Hitzewelle im Juli, dann die verheerenden Waldbrände und jetzt die Überschwemmungen in einem nie gekannten Ausmaß: die geschockten Griechen werden sich erst langsam der desaströsen Auswirkungen der Klimakrise bewusst. Für ExpertInnen sind die Ursachen klar, der öffentliche Diskurs darüber ist aber noch relativ verhalten. Es gibt Leugner des menschengemachten Klimawandels, die die Debatte im Keim ersticken wollen. Immerhin sieht die kürzlich wiedergewählte Regierung in Athen unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis das anders. Sie schuf Ende Juni ein eigenständiges Ministerium für die Klimakrise. Bis 2050 will das Land klimaneutral sein.

Der Anteil der Solarenergie am Energiemix liegt bei nicht mal 10 Prozent

Ein wichtiges Element der Strategie: den Anteil der erneuerbaren Energien am griechischen Energiemix erhöhen. Griechenland will bis 2030 etwa 80 Prozent des Strombedarfs aus Solar-, Wind- und Wasserkraft erzeugen. Der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix stieg im vorigen Jahr um sechs Prozentpunkte auf 39 Prozent. Doch ausgerechnet in Griechenland, wo in weiten Landesteilen mehr als 300 Tage im Jahr die Sonne scheint, betrug der Anteil der Solarenergie am Energiemix nicht mal 10 Prozent.

Wichtig für die Stromerzeugung waren 2022 weiter Erdgas (35 Prozent) und Braunkohle (14 Prozent). Mittlerweile sind im Land noch acht Kohlekraftwerke in Betrieb. Wegen der Energiekrise durch den U­kraine-Krieg stieg der Anteil der Kohle bei der Stromerzeugung sogar wieder an. Ende des Jahres 2025 soll es in Griechenland nur noch ein Kohlekraftwerk geben. (mit Agenturen)