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Immer Spielball

Projekte protestieren gegen drohende Kürzungen im Sozialen

VonTim Kemmerling

Vor dem Rathaus in der Yorkstraße haben sich am Mittwoch rund 250 Menschen versammelt. Die Gemüter sind erhitzt. Drinnen tagt die Bezirksverordnetenversammmlung von Friedrichshain-Kreuzberg. Es geht um die drohenden Haushaltskürzungen im Sozialbereich.

Im Zuge der Haushaltsverhandlungen für 2024 hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) vor einiger Zeit angekündigt, die sozialen Folgen dieser Kürzung könnten durch „die gewaltigen Rücklagen in den Bezirken“ abgefedert werden. Die Be­zirks­bür­ger­meis­te­r*in­nen gingen daraufhin auf die Barrikaden. In einem Brandbrief, den Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) im Namen seiner Amts­kol­le­g*in­nen veröffentlichte, warnte er vor den Folgen der geplanten Kürzungen. Nur unter erheblichen Leistungseinschränkungen im sozialen Bereich könnten die Bezirke ihre Aufgaben dann noch erfüllen. Betroffen wäre vor allem die Kinder- und Jugendsozialarbeit, weil diese keinen eigenen Haushaltstitel habe.

So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen und Angehörige gemeinnütziger Projekte wie die Kreuzberger Musikalische Aktion (KMA) stehen am Mittwoch vor dem Rathaus in der Yorkstraße, um ihren Protest kundzutun. Schon ohne Kürzung stehe den Projekten zu wenig Geld zur Verfügung, heißt es. „Jugendarbeit ist der Grund, weshalb Jugendliche keine Drogen nehmen und weniger Scheiße bauen“, ruft ein Jugendlicher unter lautem Beifall der Versammelten bei der Kundgebung.

50 Meter weiter im BVV-Saal Friedrichshain-Kreuzberg wird derweil die Frage diskutiert: Wie gegenüber dem Senat positionieren, um die Kürzungen abzuwenden? „Mehr Unterstützung, keine Kürzungen!“ Die Rufe von der Straße sind bis in den Saal zu hören.

Auch der Sozialarbeiter Fabian Anstätt gehört zu den Demonstranten. „Wenn es so weitergeht und wir immer wieder dafür kämpfen müssen, wenigstens den Status Quo zu halten, will irgendwann niemand mehr So­zi­al­ar­bei­te­r*in werden,“ sagt er im Gespräch mit der taz. Die Gelder für soziale Belange der Bezirke stünden Jahr für Jahr zur Debatte, klagt Anstätt.

Auch Mareike Stanze ist deshalb hier. Auch sie ist Sozialarbeiterin. 33 Einrichtungen mit 13.000 Stamm­be­su­che­r*in­nen gebe es in Friedrichshain-Kreuzberg. Diese seien durch eine potenzielle Kürzung der Gelder gefährdet. Davon, dass der Senat versprochen hat, den Status Quo im sozialen Bereich zu erhalten, hält Stanze wenig. „Es wurden 100 Millionen Euro versprochen, durch die Preissteigerungen ist das real eine Kürzung und hilft uns auf Dauer nicht.“ Auch mit dem neuen Jugendförderungsgesetz seien Kürzungen nicht vereinbar. „Wir sind immer wieder der Spielball der Politik. Als Erstes wird immer beim Sozialen gespart,“ schimpft Stanze.

Eine gesicherte Finanzierung der sozialen Arbeit – das ist die Forderung von allen, die zu dieser Kundgebung gekommen sind. Drinnen beschließt die BVV Friedrichshain-Kreuzberg, sich gegen die Kürzungen einzusetzen, um die Schließungen von sozialen Einrichtungen abzuwenden.

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