Kabinett beschließt Staatsbürger-Reform

Die Bundesregierung billigt den Entwurf von Innenministerin Faeser. Kritik kommt aus der Opposition und von Teilen der Grünen und SPD: Arme und Kinder würden benachteiligt

Von Frederik Eikmanns

Die Bundesregierung hat eine Neuregelung des deutschen Staatsbürgerrechts beschlossen. Bundesinnenministerin Nan­cy Faeser (SPD) sprach am Mittwoch von „einem der wichtigsten Reformprojekte der Ampel“. Die Union kritisierte den Beschluss dagegen als „falsches Signal“. Aber auch einige Grünen- und SPD-Politiker*innen sowie Verbände sind unglücklich, weil Ausnahmeregeln für Kinder, Pflegende und Alleinerziehende gestrichen werden sollen.

Der Entwurf sieht vor, dass sich Aus­län­de­r*in­nen künftig nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen können statt wie bisher nach acht. Bei besonderen Integrationsleistungen lässt sich die Frist sogar auf drei Jahre verkürzen, etwa bei guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement. Faeser betonte die Bedeutung dieser Regelung für die Anwerbung dringend benötigter Fachkräfte aus dem Ausland. Man befinde sich in einem „weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe“.

Man wolle die Leistung von Menschen würdigen, die als sogenannte Gastar­bei­te­r*in­nen in die BRD oder als Ver­trags­ar­bei­te­r*in­nen in die DDR kamen, sagte Faeser. Diese Menschen sollen künftig für eine Einbürgerung statt einen regulären Sprachnachweis nur noch die „Fähigkeit zur mündlichen Verständigung“ nachweisen müssen. Auch der Einbürgerungstest entfällt für sie.

In Deutschland geborene Kinder sollen künftig automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn mindestens ein Elternteil sich seit fünf Jahren legal in Deutschland aufhält. Und auch die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft soll künftig möglich sein. Faeser nannte dies einen „lange überfälligen Paradigmenwechsel“. Um das Thema hatte es in vorangegangenen Legislaturperioden harte Debatten gegeben, insbesondere CDU und CSU hatten sich stets gegen eine solche Regelung gestellt: Am Mittwoch warnte CSU-Politikerin Andrea Lindholz, es drohe dadurch politische Einflussmöglichkeiten für ausländische Staaten.

Auch in den Reihen von SPD und Grünen gibt es Unmut – wenn auch aus anderen Gründen. Der Entwurf streicht eine bisher geltende Ausnahmeregelung, wonach die Einbürgerung von Ausländern auch dann möglich ist, wenn sie Sozialleistungen beziehen, diese aber „nicht zu vertreten haben“. Das betraf bisher etwa die Kinder armer Eltern oder auch Menschen, die Angehörige pflegen oder eine Behinderung haben. Das neue Gesetz sieht stattdessen eine Härtefallregelung vor. Statt eines Anspruchs gäbe es dann eine Ermessensentscheidung nach individueller Prüfung. Fae­ser selbst sagte am Mittwoch: „Hier haben wir eher verschärft.“

Der SPD-Abgeordnete Hakan Demir begrüßte den Entwurf gegenüber der taz zwar grundsätzlich. Er sagte aber auch: „Eine Person, die Care-Arbeit leistet, in Teilzeit beschäftigt ist und dadurch aufstocken muss, oder Menschen mit Behinderung müssen auch eingebürgert werden können.“ Die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram nannte den Entwurf zwar einen „Meilensteinen in der Einbürgerungspolitik“, kritisierte aber dessen „Schwächen“ bei den Sonderregeln für Menschen, die Sozialleistungen beziehen.

Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut nannte die gestrichenen Ausnahmen „eine drastische Verschärfung“ und sprach von „sozialer Arroganz“, die „nicht akzeptabel“ sei. Und auch die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman begrüßte den Beschluss grundsätzlich, übte aber ebenfalls Kritik am Fehlen von Ausnahmeregelungen für bestimmte Personen. Die Erleichterungen für Gast- und Ver­trags­ar­bei­te­r*in­nen müssten zudem für deren nachgezogene Ehe­part­ne­r*in­nen gelten.

Leichtere Einbürgerung als „Anerkennung für die Lebensleistung“: Gastarbeiterfamilie in Bochum 1984 Foto: Sommer/imago

Das Bündnis „Passt uns allen“ aus über 50 migrantischen und antirassistischen Organisatio­nen übte nicht nur Kritik daran, dass Ausnahmereglungen fehlen: „Dass Staatenlose im aktuellen Gesetzentwurf immer noch nicht berücksichtigt werden, ist inakzeptabel“, sagte Christiana Bukalo, Vorsitzende der Organisation Statefree. Pro Asyl kritisierte, dass für eine Einbürgerung weiterhin in allen Fällen der bisherige Pass vorgelegt werden muss.„Menschen, die vor Verfolgung und Folter geflohen sind und eingebürgert werden wollen, dürfen nicht weiterhin in die Botschaften ihrer Verfolger oder Folterer geschickt werden“, sagte der fluchtpolitische Sprecher der NGO, Tareq Alaows.

Der Gesetzentwurf wird in den nächsten Wochen in den Bundestag eingebracht. Faeser hofft, dass die neuen Regelungen schon Anfang 2024 in Kraft treten können.

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