Abseits von Mama, Papa, Kind

Justizminister Buschmann will das Zusammenleben ohne Liebesbeziehung rechtlich stärken. Auch für lesbische Mütter soll es endlich Verbesserungen geben. Das war eigentlich schon für 2022 angekündigt

Von Dinah Riese

„Wir werden das Familienrecht modernisieren.“ Das hatte die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen. Nun soll tatsächlich etwas passieren: Bald nach der Sommerpause will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte für die sogenannte Verantwortungsgemeinschaft vorlegen – für Menschen also, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen, ohne eine romantische Beziehung zu führen. Und auch für lesbische Mütter soll es bald die lange ersehnten Verbesserungen geben: Das Bundesjustizministerium erklärte auf taz-Anfrage, es wolle „zeitnah“ Eckpunkte für eine umfassende Reform des Abstammungsrechts vorlegen.

Zugute kommen soll die Verantwortungsgemeinschaft zum Beispiel älteren Menschen: Eine alleinstehende Seniorin zieht mit zwei Freundinnen zusammen. Die eine stürzt mit dem Rad und muss ins Krankenhaus. Bisher haben die anderen keinerlei Rechte, über ihren Zustand Auskunft zu erhalten. Solche Fragen seien „bislang auf die klassischen Familienbeziehungen zugeschnitten“, sagte Buschmann.

Das soll sich nun ändern. Die Verantwortungsgemeinschaft soll laut Koalitionsvertrag zwei oder mehr Volljährigen offenstehen, die „dauerhaft“ füreinander Verantwortung übernehmen wollen. Ein Ersatz für oder eine Gleichstellung mit der Ehe sei sie aber nicht, betonte Buschmann. So seien keinerlei steuerlichen Vorteile geplant.

Gudrun Lies-Benachib vom Deutschen Juristinnenbund erkennt an, dass die Ampel Verantwortung füreinander künftig auch abseits der klassischen Ehe ermöglichen möchte. Sie sieht aber auch Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung einer Verantwortungsgemeinschaft. So könne etwa ein Standesbeamter nicht mal eben so überprüfen, ob die Beantragenden eigentlich eine Liebesbeziehung hätten oder nicht. Damit könnte das Konstrukt auch von Menschen genutzt werden, die gar nicht Zielgruppe sind. Das sei gerade für Frauen in heterosexuellen Beziehungen problematisch.

„Die Verantwortungsgemeinschaft könnte zum Beispiel wegen der Auskunftsrechte für die vielen Paare, die gar nicht heiraten, als attraktive Alternative erscheinen“, so Lies-Benachib vom Deutschen Juristinnenbund. „Wenn sie dann aber auch eine traditionelle Arbeitsteilung leben, in der die Frau deutlich weniger verdient, und die Beziehung irgendwann auseinandergeht, stehen die Frauen ohne jeden Unterhaltsanspruch da.“ Diese Probleme müsse der Gesetzgeber im weiteren Verfahren im Blick haben.

Es ist eines von einer ganzen Reihe Vorhaben der Ampel aus dem Bereich Familienpolitik. Schon für das vergangene Jahr hatte der Justizminister eigentlich die sogenannte Co-Mutterschaft versprochen: Lesbische Mütter sollten nicht länger ihre eigenen Kinder adoptieren müssen. „Die Arbeiten an dem Gesetzgebungsvorhaben sind weit vorangeschritten“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Bislang werden hetero- und homosexuelle Ehepaare ungleich behandelt, wenn es um Elternschaft geht: Ein Mann gilt automatisch als Vater eines Kindes, das seine Ehefrau zur Welt bringt – ganz unabhängig davon, ob er auch der genetische Vater ist. Eine Frau aber muss das Kind ihrer Ehefrau erst in einem langwierigen Verfahren adoptieren, um als Mutter zu gelten. Niemand solle sich „als Elternteil zweiter Klasse fühlen“ müssen, hatte Buschmann im Sommer 2022 gesagt.

Im September vergangenen Jahres erhob die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zusammen mit der Initiative Nodoption und einer betroffenen Familie Verfassungsbeschwerde. Auch mehrere Gerichte haben dem Bundesverfassungsgericht bereits entsprechende Fälle zur Prüfung vorgelegt.