Auf dem Weg zum Staatsvertrag

Zwei von drei Dachverbänden der Sinti und Roma wollen kooperieren und legen erste Eckpunkte vor

Von Frederik Eikmanns

Ver­tre­te­r*in­nen der Bundesvereinigung der Sinti und Roma sowie der Sinti-Allianz haben sich auf eine Kooperationsvereinbarung verständigt und Eckpunkte für einen Staatsvertrag mit der Bundesregierung vorgelegt. Damit schließen sich erstmals zwei der insgesamt drei konkurrierenden Dachverbände der Minderheit in Deutschland zusammen. Der dritte Verband, der Zentralrat der Sinti und Roma, beteiligt sich bisher nicht. Dennoch sprach die Co-Vorsitzende der Bundesvereinigung, Kelly Laubinger, am Mittwoch von einem „großen Moment“ und einem „historischen Tag“.

Kern der vorgelegten Eckpunkte für den Staatsvertrag ist die Forderung nach einem Gremium, das die Sinti und Roma in Deutschland repräsentiert und bei einem bisher noch unbestimmten Bundesministerium angesiedelt sein soll. Die insgesamt sieben Mitglieder sollen Empfehlungen an den Bundestag aussprechen und Ansprechpartner für die Bundesregierung sein. Ein Sitz im Gremium soll dauerhaft für eine Organisation zugewanderter Sinti und Roma reserviert werden.

Über zwei Fonds soll die Bundesregierung laut den Eckpunkten die Teilhabe von Sinti und Roma fördern. Dabei soll zum einen Geld in Projekte fließen, die gegen den grassierenden Antiziganismus in der deutschen Gesellschaft kämpfen. Zum anderen sollen kulturelle Projekte und Veranstaltungen mitfinanziert werden, etwa Sprachpflege sowie Forschungsprojekte zu Geschichte und Tradition der Sinti und Roma. Insgesamt fordern die Sinti- und-Roma-Verbände dafür jährlich zwölf Millionen Euro vom Bund.

Die Eckpunkte sehen außerdem vor, dass ein Museum zur Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland eingerichtet wird. Das Vorbild ist das Jüdische Museum in Berlin. Die Verantwortung soll die Bundesregierung übernehmen, der Ausstellungsinhalt soll in Abstimmung mit den Verbänden erfolgen. Zudem soll sich die Bundesregierung zu verstärkter Förderung der Erforschung von Antiziganismus verpflichten.

Es soll auch ein Museum zur Geschichte der Sinti und Roma entstehen

Auf dieser Grundlage wollen die Bundesvereinigung der Sinti und Roma sowie die Sinti-Allianz nun unverzüglich in Verhandlungen mit der Bundesregierung, genauer gesagt mit dem Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser (SPD), treten.

Mit Staatsverträgen regelt die Bundesregierung ihr Verhältnis zu verschiedenen Minderheiten in Deutschland. Mit dem Zentralrat der Juden wurde ein solcher Vertrag erstmals 2003 abgeschlossen, zuletzt wurde er im April 2023 angepasst und verlängert. Mit den verschiedenen Sintiund-Roma-Verbänden gibt es einen solchen Vertrag bisher auf Bundesebene nicht, auch weil die Verbände untereinander zerstritten waren und das teilweise weiterhin sind. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen haben allerdings bereits separate Staatsverträge mit dem Zentralrat der Sinti und Roma abgeschlossen.

Kaum eine andere Minderheit wird in Deutschland so stark diskriminiert wie Sinti und Roma. Immer wieder zeigen Untersuchungen in der deutschen Gesellschaft starke Vorurteile ihnen gegenüber. Auch in der Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur spielen Sinti und Roma oft eine nachgeordnete Rolle. Die Deutschen ermordeten bis 1945 im Porajmos genannten Völkermord Hunderttausende Sinti und Roma in ganz Europa.