: „Hier wird nur Russisch geredet“
Die 15jährige Diana war in einem russischen Ferienlager. Sie würde nie mehr nach Hause zurück kehren, lautete die erste Ansage
Aus Charkiw Juri Larin
„Mama, weine nicht, ich bin zu Haus! Alles okay, wir sind wieder zusammen!“ So erinnert sich Tatjana Medwedewa aus dem Dorf Zybine-Wowtschansk im Gebiet Charkiw an die ersten Worte ihrer 15-jährigen Tochter Diana nach ihrer Rückkehr aus Russland. Am 19. August 2022 war das Mädchen mit über 150 anderen Kindern aus ihrem ukrainischen Heimatdorf in ein Ferienlager in Gelendschik in der russischen Region Krasnodar gefahren. Während der Besatzung waren es allein im Gebiet Charkiw 561 Kinder. Nach 17 Tagen erfuhr das Mädchen, dass sie nicht nach Hause zurückkehren würde. Da hatte die ukrainische Gegenoffensive um Charkiw gerade begonnen.
Gleich nach der Ankunft habe man ihnen die Handys abgenommen, erzählt Diana. Sie bekamen sie dann einmal täglich für etwa 30 Minuten zurück. „Die Kinder weinten, ‚lasst unsere Eltern uns anrufen‘. Ich habe meins nicht abgegeben – das haben die Betreuer aber nicht gemerkt“, erzählt Diana. Das Mädchen erinnert sich auch an Gewalt von Seiten der russischen Betreuer. Zu einigen Kindern hätten sie auch gesagt: „Kein Wort über die Ukraine. Nur Russisch sprechen“, erinnert sich die Schülerin. Sie berichtet auch von russischen Journalisten, die versucht hätten, Fotos vom angeblich schönen Ferienaufenthalt der ukrainischen Kinder zu machen.
Dianas Vater, Nikolaj Schuljakow, reiste dann selber nach Russland, um seine Tochter zurückzuholen. Das erste Treffen mit seiner Tochter sei sehr emotional gewesen, erzählt Schuljakow: „Als ich zu ihr fuhr, rief sie alle zwanzig Minuten bei mir an und frage ‚Papa, wo bist du?‘ Als ich dann ankam, weinte sie und konnte nicht mehr aufhören“, erzählt Nikolaj. Viele der Kinder in dem Lager hätten nicht gewusst, wo ihre Eltern waren.
Die Rückfahrt war problematisch, weil die Russen wegen der ukrainischen Gegenoffensive alle Grenzübergänge im Norden des Gebietes Charkiw geschlossen hätten. Fast zwei Wochen verbrachten Diana und ihre Vater deshalb noch in den grenznahen russischen Städten Belgorod und Schebekino.
Dann gab es Gerüchte, man könne wieder in die Ukraine einreisen, erzählt Nikolai Schuljakow. Drei Stunden stand er mit seiner Tochter an der Grenze. Ein Geheimdienstmitarbeiter habe ihre Telefone überprüft und sie befragt. Sie mussten eine Genehmigung zur Rückkehr in die Ukraine beantragen. Man habe ihm angeboten, in Russland zu bleiben. Als der Vater sich darauf nicht einließ, erzählten die russischen Soldaten, dass entlang der Straße verminte Felder seien und überall geschossen werde. „Trotzdem ließen sie uns durch“, erzählt Nikolaj. Sie seien dann noch 12 Kilometer bis zum ersten ukrainischen Checkpoint gelaufen …
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen