das wird
: „Verfehlte Politik“

Zu viel Repression, zu wenig Hilfe: Bremer Aktivist*innen kritisieren staatlichen Drogenkurs

Von Franziska Betz

„Drogentod ist Staatsversagen“: Das ist das Motto, wenn heute mehrere Einrichtungen und Organisationen in Bremen den Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende begehen. Der erinnert an den 21. Juli 1994: Damals starb im nordrhein-westfälischen Gladbeck der junge Drogengebrauchende Ingo Marten. Seine Mutter setzte sich erfolgreich für eine Gedenkstätte ein und rief mit anderen den Gedenktag ins Leben; seit 1998 gibt es ihn bundesweit.

In Bremen nun organisieren eine Demonstration mit zwei Kundgebungen unter anderem die Organisation JES – das steht für „Junkies, Ehemalige und Substituierte“. Einer davon ist Lenny, der seit 20 Jahren substituiert wird. Mehr als 20 seiner Freun­d*in­nen seien an den Folgen des Konsums gestorben – Lenny weiß aber auch, wie gefährlich gerade der Verfolgungsdruck sein kann: „Ich brauchte damals jeden Tag 50 D-Mark, um meine Sucht zu befriedigen. Ich musste dann stehlen gehen, einbrechen und so weiter, oder halt auch dealen. Und dann wird man irgendwann erwischt und landet im Knast.“

„Die Mehrheit der Gebraucher sogenannter harter Drogen verstirbt nicht an dem Stoff selbst“, erklärt die JES-Bundesorganisation. Vielmehr seien „Verunreinigungen, Überdosierungen, äußere Umstände des Konsums, staatliche Repression und mangelnde Hilfsangebote“ Gründe dafür, dass Menschen der Sucht nicht entkommen – und „schlimmstenfalls ihr Leben lassen“.

Nicht für alle Gebrauchenden ist Abstinenz das wichtigste Ziel: „Ich lebe jetzt schon seit 30 Jahren mit Drogen und hab das alles überlebt“, sagt Lenny. Wichtige Bedürfnisse seien etwa „der Wunsch nach Obdach, Substitution, niedrigschwelliger medizinischer Versorgung, Krankenversicherung, einem legalen Aufenthaltsstatus, sauberer Kleidung, einem Ort zum Runterkommen“: So steht es in einem Positionspapier der Gruppe „Fix it“. Nichts davon „kann durch das Bremer Drogenhilfesystem ausreichend erfüllt werden“.

Demonstration „Drogentod ist Staatsversagen“: Fr, 21. 7., 14 Uhr, ab Bremen, Hauptbahnhof

Der Tag im Internet: www.gedenktag21juli.de/der-gedenktag-2023/die-staedte-2023/bremen/

„Fix it“, das sind So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen aus der Drogenhilfe, die anonym bleiben wollen. Sie kritisieren Prohibition und überhaupt „verfehlte Drogenpolitik“. Sie verurteilen auch die Vertreibung Betroffener etwa vom Bremer Hauptbahnhof: Inwieweit, fragt „Fix it“, reichen „subjektive Gefühle“ als Grund, „eine ganze Personengruppe von einem öffentlichen Ort auszuschließen“?

2021 gab es in Bremen 25 Drogentote, 2022 waren es 29. Zuvor waren die Zahlen leicht rückläufig – entgegen dem Bundestrend.