Pleiten, Pech und Pannen

Nach den Skandalen um Patricia Schlesinger hat der RBB eine neue Chefin gesucht. Ulrike Demmer blieb als einzige Kandidatin übrig

Demmer war auch Regierungssprecherin Foto: Fabian Sommer/dpa

Von Johannes Drosdowski

Ulrike Demmer, ehemalige stellvertretende Sprecherin der Regierung Merkel und die letzte verbliebene Kandidatin bekam letztlich die notwendige Zweidrittelmehrheit. Managerin Heide Baumann war am Wahltag überraschend als Kandidatin ausgeschieden. Demmer ist somit neue Intendantin des RBB. Ihre Nähe zur Politik? Scheint egal zu sein.

Für die Wahl zuständig sind die 30 Personen, die im Rundfunkrat sitzen. 15 Menschen brauchte es für die Beschlussfähigkeit, 24 waren am Freitag um 14.00 Uhr in Potsdam bei der außerordentlichen Sitzung des Rundfunkrates anwesend.

Direkt zu Beginn des Treffens am Freitag, als die ersten Regularien geklärt waren, wies RBB-Rundfunkratschef Oliver Bürgel auf das Chaos hin, das in den vergangenen Tagen den RBB und die Öffentlichkeit beschäftigten: das Hin und Her beim Bewerbungsprozess. Aus den 50 Bewerbungen um den Posten der*s In­ten­dan­t*in waren ursprünglich vier ausgewählt worden, als Bürgel die Veranstaltung und den öffentlichen Teil der Live-Übertragung eröffnete, waren es nur noch zwei. Die anderen beiden stiegen in den Tagen zuvor aus. Und einige Stunden nach Beginn der Veranstaltung – vor allem im nichtöffentlichen Kämmerchen – war dann nur noch Ulrike Demmer übrig.

Vom letzten Rückzug wusste Bürgel jedoch noch nichts, als er zu Beginn der Sitzung erzählte, er habe sich überlegt: „Was ist, wenn wir heute nicht wählen?“ Man hätte neu ausschreiben müssen. Aber wer würde sich dieser Verantwortung stellen?

Dieses Chaos, das Bürgel anspricht, schadet dem RBB. Der ist ohnehin nicht nur durch die Vorwürfe gegen Patricia Schlesinger und Wolf-Dieter wWolf angekratzt, sondern auch durch die aktuelle Stimmung gegen Medien, insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Statt die Konsequenzen zu erklären, man starte den Prozess doch von Neuem, um möglichst viel Glaubwürdigkeit zu erhalten, stellte Bürgel allerdings fest: „Der Wahlkampf ist beendet.“ Damit könne die Wahl am Freitag auch stattfinden. Man solle sie „fair, anständig“ durchführen und „mit viel Respekt“. Es sei nun an der Zeit, eine Intendantin zu wählen, mit der der Aufbruch und die Transformation gelinge. Den Bewerbungsprozess zu evaluieren und zu hinterfragen, das steht hinten an. So viel wird klar.

Vor der geheimen, aber langen Diskussion und Wahl dürfen sich die Kan­di­da­t*in­nen vorstellen. Eine halbe bis drei Minuten Zeit gibt ihnen der Rundfunkrat dafür. Demmer macht den Anfang und bedauert, „dass sich in der Krisenzeit niemand mit einem breiten Kreuz vor den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den RBB“ gestellt hat.

Danach lobt sie ausschweifend die ARD und insbesondere den RBB für deren Programm und stellt klar: „Der RBB ist für mich unverzichtbar.“ Das bleibt Demmer zufolge nur so, wenn der Sender weiterhin Qualität liefert. Sie wolle gemeinsam mit den Mitarbeitenden und den unterschiedlichen Gremien und Räten für genau diese Qualität sorgen. Ihre Ansage: Schwierig, aber jetzt mit mir in eurem Team wird das wieder.

Baumann hingegen argumentiert komplexer, unterstreicht ihre eigenen Qualifikationen, indem sie die Anforderungen, um der „großen Verantwortung“ Intendanz nachzukommen, in drei Punkte gliedert. Zum einen blickt sie auf das „hervorragende Programm für alle“ im Sendegebiet und erwähnte dabei ihr Lieblingsthema, die Digitalisierung. In diesem Prozess steckt auch der RBB. „In dieser komplexen Welt kenne ich mich aus“, sagt Baumann, die auch als Gastprofessorin an der Technischen Universität in Berlin war. Ihr Schwerpunkt: Technologie-und Innovationsmanagement.

Danach schwenkt sie über auf eines der größten Probleme des RBB: verlorenes Vertrauen. Um dieses bei Belegschaft und Publikum zurückzugewinnen, brauche es Transparenz und diesbezüglich bringe sie Erfahrung durch ihre Arbeit bei Vodafone mit. Erst am Ende kommt sie auf die „Frau von Außen“ zu sprechen, die sie für manche tatsächlich ist. Baumann rechtfertigt sich durch eine Aufzählung ihrer unterschiedlichen Stationen bei Medienunternehmen, ihre Arbeit als freie Journalistin und ihre „Passion für Medienjournalismus und Qualitätsinhalte“. Ihr Status als Neue sei eine Chance und ein Signal für einen Neustart mit Respekt und Vertrauen. Trotzdem scheidet sie dann aus. Bis Redaktionsschluss blieb unklar weshalb.

Unter den Leuten, die zurückziehen, ist Baumann in guter Gesellschaft. Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales bei ARD-aktuell („Tagesschau“, „Tagesthemen“), die einzige Shortlist-Kandidatin mit Ostbezug, schied nur drei Tage vor der Wahl aus. Auf der Plattform Linkedin schrieb sie am Dienstagabend, sie wolle den Weg freimachen für „eine Kandidatin oder einen Kandidaten, deren oder dessen Angebot besser zu dieser aktuellen Situation passt“. Wen sie damit meint, ist nicht klar. Dass sie jedoch selbst diese Person nicht sein wird, begründet sie damit, dass der „Kern“ ihres Angebots die digitale Transformation des Journalismus sei, sie aber in Gesprächen in den Tagen vor ihrem Rückzug den Eindruck gewonnen habe, dass für viele Menschen im RBB andere Fragen wichtiger seien.

Ein weiterer Bewerber trat hingegen wegen der Zukunftsperspektive zurück: Jan Weyrauch. Erst entschied sich die Findungskommission dafür, den gebürtigen Berliner und Programmdirektor von Radio Bremen, einen Vertreter der klassischen öffentlich-rechtlichen Hierarchie, auf die Shortlist zu setzen. Aber bei der Präsentation jener Liste fehlte sein Name. Somit stand er auch nicht zur Wahl. Der Grund: Die Gehaltsvorstellungen stimmten nicht überein. Die Sparmaßnahmen, die der RBB erfüllen muss, werden sich auch auf der Führungsebene widerspiegeln. Nach Protest stand er dann wieder auf der Liste, aber sagte am Donnerstagabend erneut ab.

Ein Rückzug aus bisher unbekannten Gründen. Einer wegen Geld. Einer wegen starrer Ideen. Gewonnen hat dann eine Frau, die früher Journalistin war, für den Spiegel, den Focus, das ZDF-“Morgenmagazin“, bevor sie Leiterin des Hauptstadtbüros vom Redaktionsnetzwerk Deutschland wurde – und dann Sprecherin der Bundesregierung.

Wie das zusammengehen soll, muss Demmer jetzt zeigen. Mehr als 3.000 Mitarbeitende hat sie, sie erbt ein riesiges Finanzloch, weil sie beim jährlichen Budget von 450 Millionen Euro bis Ende 2023 ganze 49 Millionen einsparen muss. Und ganz viel Aufmerksamkeit während ihrer fünfjährigen Amtszeit.