Hamburger Fleetinsel feiert Jubiläum: Kreative Dauernutzung

In Hamburgs Innenstadt wurde in den 80ern ein Altbauensemble vor dem Abriss gerettet – durch KünstlerInnen und einen Mäzen. Das wird nun gefeiert.

Ein Transparent mit der Aufschrift "Senat fressen Straße auf" hängt an der Fassade des Hauses Admiralität­straße 74.

Da war die Sache noch nicht entschieden: Ein Transparent hängt 1986 am Haus Admiralität­straße 74 Foto: Westwerk

HAMBURG taz | Der zentralst gelegene, bekannteste und erfolgreichste Mehr-Sparten-Kunstort Hamburgs feiert Geburtstag: „33 Jahre Fleetinsel“ ist ein kleines Festival am Wochenende überschrieben. Wie beinahe immer gibt es zu solcher Zahlensetzung aber eine Vorgeschichte: Schon seit Ende der 1970er-Jahre sah eine Gruppe KünstlerInnen in den teils leer stehenden ehemaligen Kontor- und Speicherhäusern in der Admiralitätstraße ideale Wohn- und Produktionsorte. Im Rahmen des Festivals „Theater der Nationen“ trat 1979 die New Yorker Avantgardelegende Laurie Anderson dort auf.

Als die staatliche Immobilienfirma Sprinkenhof dann im Jahr 1986 keine einzelnen Mietverträge über Zwischennutzung machen wollte, sondern nur für zweieinhalb Häuser im Block, fand sich als Vertragspartner ein Verein von KünstlerInnen aus allen Bereichen zusammen: bildende Kunst und Musik, Foto, Film und Theater – eine bis heute hier zu findende, besondere Mischung. Nach kurzer Zeit sollte das alles aber auch wieder beendet sein – und die ganze Häuserreihe vom Senat auf Abriss verkauft.

Durch künstlerische Aktivitäten, mediale Unterstützung und ein exemplarisch durch mehrere Gerichtsinstanzen erstrittenes Wohnrecht wurde ein Aufschub erreicht. Mehr noch: Es gelang, den niederländischen Investor durch direkten Besuch einer Künstlerdelegation in Rotterdam von seinen Plänen abzubringen.

Gleichwohl waren die KünstlerInnen – und ein erster Galerist, Ulrich Dörrie – geduldete, aber illegale HausbesetzerInnen. Durch private Kontakte konnte dann der Rechtsanwalt, Sammler und Mäzen Hans Jochen Waitz die Häuser kaufen: günstig, aber mit hohen Auflagen zu ihrer Erhaltung; bis heute ermöglichen die Mieten deutlich unter dem Marktpreis vielfältige Kunst und Galerien von Weltrang in der Hamburger Neustadt. Es ist diese private Lösung von 1989/90, der nun das (genau genommen) 33,33-jährige Jubiläum gilt.

Festival „33 Jahre Fleetinsel“, Eröffnung: Fr, 30. 6., 17 Uhr. Eintritt frei, Programm: https://admi-open-space.art, www.westwerk.org, www.fleetstreet-hamburg.de

Nach der Admiralität heißt die Verbindungsstraße seit 1775: Das mächtige „Hamburgische Admiralitäts-Collegium“ war von 1623 bis 1811 für die Marine, die Handelsseefahrt und verschiedene Belange des Hafens zuständig. Die heutige Bebauung der Admiralitätstraße stammt überwiegend von Ende des 19. Jahrhunderts, das Hinterhaus von Nummer 73 ist aber ein Speicher von 1787 – der zweitälteste in Hamburg.

Genaueres wird jetzt der Architekt Bruno Brandi in zwei Führungen erläutern. Die Galerien der Fleet­insel gönnen sich Sonderöffnungszeiten, es gibt Konzerte, dazu Filmvorführungen von Gabor Altorjay und Peter Sempel – dieser zeigt auch seinen Film über den jüngst verstorbenen Free-Jazz-Titanen Peter Brötzmann. Das Kunstantiquariat Joachim Lührs feiert mit – die einst exzeptionelle Kunstbuchhandlung Sautter+Lackmann dagegen ist verschwunden.

Hauptakteure sind zwei Institutionen mit immer wieder überraschenden Veranstaltungen: Zum einen das seit 1985 kollektiv betriebene „Westwerk“, nach Selbstaussage „Galerie für experimentelle, forschende und interaktive Kunst und Plattform für Live-Musik und musikalische Seltenheiten“.

Der andere zentrale Aktionsort ist das Theater „Fleetstreet“, seit 2011 bestehend: eine Kombination aus Bühne und Galerieraum samt einem von der Kulturbehörde geförderten Stipendium für junge Performance-Gruppen: Hier gibt es nun diverse Lesungen, eine Aktualisierung des „Weltverbesserers“ von Thomas Bernhard – und Disko mit dem Performer-Kollektiv „JaJaJa“.

Die Admiralitätstraße zeigt, dass erst in der Verstetigung von künstlerischer Zwischennutzung etwas dauerhaft Sinnvolles wachsen kann. Dass manche KünstlerInnen schon lange dabei sind, ist kein Nachteil: Mit ihren Netzwerken – darunter teils auch ihre bereits erwachsenen Kinder – können gerade sie junge Kunst und Musik fördern. Nicht zuletzt: Die mit Hilfe der Kulturbehörde finanzierten Stipendien für internationale GastkünstlerInnen sorgen für weiteren, frischen Wind an diesem ­alten, aktuellen Kunstort.

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