Lula will Amazonas retten

Der Präsident stellt ein Programm zur Erhaltung des Regenwalds vor. In den ersten fünf Monaten der neuen linken Regierung wurde offenbar deutlich weniger gerodet als zuvor

Umweltschutz durch eine neue Brille gesehen: Brasiliens Präsident Lula Foto: Ueslei Marcelino/reuters

Von Niklas Franzen

Ihm sei die Größe der Aufgabe bewusst, sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva. Aber er und seine Regierung würden alles daran setzen, die illegale Abholzung im Land bis 2030 zu beenden. Dafür stellten Lula und seine Umweltministerin Marina Silva einen Plan zum Schutz des Regenwaldes vor. Er wolle „Brasiliens globale Führungsrolle bei der Eindämmung des Klimawandels und der Kontrolle der Entwaldung wieder aufnehmen“, betonte der Präsident.

Die Herausforderungen für die Regierung sind sogar mehr als groß. Denn die Amtszeit des ultrarechten Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro hatte verheerende Auswirkungen auf das Amazonas-Gebiet. Bolsonaro entmachtete Umweltschutz- und Indigenenbehörden und rief Bra­si­lia­ne­r*in­nen förmlich dazu auf, sich Land illegal anzueignen. Die Konsequenz: Tausende Goldgräber, Holzfäller und Viehwirte setzten sich in der Region fest und Brasilien verzeichnete immer neue Rekordwerte bei der illegalen Abholzung.

Laut dem Nationalen Institut für Weltraumforschung (Inpe), das Satellitendaten auswertet, ist die Abholzung in den ersten fünf Monaten von Lulas Amtszeit tatsächlich bereits um ein Drittel zurückgegangen – auf „nur“ noch 1.986 Quadratkilometer, ein Gebiet von etwas mehr als der doppelten Fläche Berlins. Allerdings: Ob es einen direkten Zusammenhang zu den Aktionen der Regierung gibt, ist nicht nachgewiesen.

Lula, der seit Januar 2023 Präsident ist, hatte bereits im Wahlkampf versprochen, die Bekämpfung der Umweltzerstörung zu einer seiner Prioritäten zu machen. Am Montag stellte seine Regierung einen 150-Punkte-Plan vor. Bis 2027 sollen neue Naturschutzgebiete in der Größe von drei Millionen Hektar ausgewiesen werden. Bis zu 50 Prozent der illegal gerodeten Flächen will die Regierung sperren lassen. Dafür will sie Kontrollorgane wie das brasilianische Bundesumweltamt Ibama wieder aufrüsten. Neben neuen Überwachungsflugzeugen will die Regierung 1.600 Be­am­t*in­nen einstellen und neue Basen zur Überwachung der Wälder aufbauen. Auch sollen nun verstärkt Geheimdienstinformationen und Satellitenbilder beim Schutz des Regenwaldes zum Einsatz kommen. Seit dem Amtsantritt Lulas stünden wieder mehr Mittel zur Verfügung, dadurch seien wieder mehr Einsätze möglich, sagte Mitarbeiter der Ibama, der anonym bleiben will, der taz.

Der Plan der Regierung sieht auch die Einrichtung eines Rückverfolgungssystems für Vieh, Holz und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Amazonien vor. Damit könnte auch in den Importländern der Druck erhöht werden, keine Erzeugnisse aus abgeholzten Regenwaldgebieten zu kaufen.

Trotz aller ambitionierten Pläne wird die Lula-Regierung nicht an der in Brasilien einflussreichen Agroindustrie vorbei regieren können. Das Land hängt stark von Landwirtschaftsexporten ab, und die Regierung braucht Geld, um ihre innenpolitischen Ziele umzusetzen.

Anfang der Woche richtete sich Lula auf einer Agrarmesse direkt an die Ver­tre­te­r*in­nen der Branche. Er betonte, sich nicht Pro­du­zen­t*in­nen, „die ordentlich arbeiten“, entgegenzustellen, und dass kein „ehrlicher Mensch“ Wälder abholze, um dort anzupflanzen. Wer sich jedoch „wie ein Bandit“ verhalte und illegal abholze, werde die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.

Solche Worte dürften auf wenig Gegenliebe stoßen. Lulas Pläne werden vom Agrobusiness skeptisch beobachtet, Naturschutz ist für sie oft bloß ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung.

In der vergangenen Woche erlitt die Regierung eine schwere Niederlage. Das Abgeordnetenhaus votierte für ein umstrittenes Gesetz, durch das die Ausweisung von indigenen Gebieten begrenzt werden soll. 283 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, nur 155 dagegen. 300 der 513 Abgeordneten werden einer überfraktionellen Interessenvereinigung des Agrobusiness zuordnet. Der Gesetzestext muss zwar noch vom Senat bestätigt werden, doch auch dort haben Se­na­to­r*in­nen die Mehrheit, die dem Agrarsektor nahestehen.

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