Recherche der Organisation Global 2000: Dubioser Deal mit Atomstrom

Der Kohlekonzern Leag soll nie erzeugten Strom des AKW Mochovce gekauft und damit Gewinn gemacht haben – auf Kosten des slowakischen Staats.

Kühltürme eines AKWs

Die Kühltürme des Atomkraftwerks Mochovce sind schon rund 30 Jahre alt, Archivbild aus 2009 Foto: imago

FREIBURG taz | Das Atomkraftwerk Mochovce in der Slowakei hat dem ostdeutschen Energieunternehmen Leag offenbar zu enormen Gewinnen verholfen – und dies auf Kosten der slowakischen Steuerzahler. Das geht aus Recherchen der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 hervor, die alle Vorgänge rund um den nur gut 100 Kilometer von ihrer Landesgrenze entfernten Reaktor russischer Bauart seit Jahren genau verfolgt.

Volle 36 Jahre hatte der Bau des Blocks 3 des Atomkraftwerks Mochovce gedauert, ehe dieser Ende Januar schließlich in Betrieb ging. Allerdings lief er auch in den vergangenen Wochen nur mit eingeschränkter Leistung, weil immer wieder Reparaturen nötig wurden.

Zum Beispiel hätten beschädigte Signalkabel des Reaktors repariert werden müssen, berichtet Global 2000. Die Umweltschützer halten das für „besorgniserregend“. Außerdem seien an „Kühlwasserrohren der höchsten Sicherheitsklasse rostanfällige Verbindungen entdeckt“ worden. „Aus krimineller Absicht“ sei hier „geldsparend mit minderwertigem Material geschweißt“ worden.

Dass das Kraftwerk mit Verzögerung in Betrieb ging, hat aber außerdem zu auffälligen Transaktionen im Stromhandel geführt. Obwohl die technischen Probleme des AKW seit Jahren bekannt sind, habe der Firmenchef der Betreibergesellschaft Slovenské elektrárne, Branislav Strýček, bereits frühzeitig die gesamte im Jahr 2022 hypothetisch erzielbare Produktion des Reaktors verkauft, heißt es in einem Papier der österreichischen Umweltorganisation, das der taz vorliegt. Dabei habe zum Zeitpunkt des Verkaufs längst festgestanden, dass der Reaktor bis dahin technisch gar nicht einsatzbereit sein werde.

Verflochtene Unternehmen

Der Strom soll an den deutschen Stromkonzern Leag gegangen sein, das wisse man von Informanten, heißt es von Global 2000. Damit stehen die nicht erzeugten Strommengen im Zentrum eines delikaten Deals: Die Leag gehört nämlich jeweils zur Hälfte dem tschechischen Braunkohle-Oligarchen Daniel Křetínský und seiner EPH-Holding sowie deren Finanzpartner PPF Investments. Eben diese EPH besitzt aber auch ein Drittel des AKW-Betreibers Slovenské elektrárne.

Wie die österreichische Umweltorganisation weiter berichtet, habe die Leag mit dem günstig eingekauften Strom enorme Profite gemacht, als die Börsenpreise anschließend stark anstiegen. Umgekehrt musste Slovenské elektrárne den billig verkauften, aber nie erzeugten Strom selbst dann offenbar teuer zukaufen, um den eingegangenen Lieferverpflichtungen nachzukommen. Da sich die privaten Eigentümer des Unternehmens weigerten, für die Verluste aufzukommen, müssten am Ende „wohl die slowakischen Steuerzahler die Zeche zahlen“, so Global 2000. Der slowakische Staat hat an dem Unternehmen nämlich auch einen Anteil von einem Drittel. Weder die Leag noch Slovenské elektrárne beantworteten Anfragen der taz zu diesem Vorfall.

Verschuldete Betreibergesellschaft

Die Vorgänge treffen die Betreibergesellschaft des Atomreaktors Mochovce in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Slovenské elektrárne ist mit 4,2 Milliarden Euro verschuldet und bekommt nach Medienberichten keine Kredite mehr. „Wenn der Staat uns keine 400 Millionen gibt, wird die Fertigstellung des vierten Blocks von Mochovce möglicherweise eingestellt“, musste im vergangenen Herbst Unternehmenschef Strýček einräumen.

Auch dieser Block 4 ist bereits seit 36 Jahren im Bau und wird aufgrund ebenfalls schwerwiegender technischer Probleme frühestens im Frühjahr 2024 ans Netz gehen können. Wie Global 2000 berichtet, verzögert sich die Inbetriebnahme „wegen krimineller Machenschaften und Pfusch am Bau bereits seit zwölf Jahren“. Die Umweltorganisation betont, sie werde auch „weiterhin die immer wieder auftretenden Vorfälle in Mochovce ans Tageslicht bringen und bei der slowakischen Kripo anzeigen“.

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