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Vom Leben afrikanischer MaskenDie Geister der Ahnen und des Mülls

Masken können von vielem erzählen. Stéphan Gladieu hat sie in Benin und in Kinshasa fotografiert. Seine Bilder sind jetzt in München ausgestellt.

2018 fotografierte Stéphan Gladieu dies Egungun-Masken in der Umgebung von Cotonou (Rep. Bénin) Foto: Stéphan Gladieu

„Wenn du wissen willst, was du hier tust, dann stell nicht so viele Fragen“, hatte das Oberhaupt der Porto Novo zu dem französischen Fotografen Stéphan Gladieu gesagt – offenbar etwas entnervt. „Du bist nicht zufällig hier.“

In so wenigen Sätzen ließe sich auch die Geschichte hinter der Schau „From Mystik to Plastic: Afrikanische Masken“ zusammenfassen, die momentan im Münchner Museum Fünf Kontinente läuft. Zu sehen sind Stéphan Gladieus Ganzkörperfotografien. Sie betten die Porträtierten, die Müll-Männer in die Slums rund um Kinshasa und die verhüllten Tänzer in beninischen Dörfern, in einen Kontext ein.

Die Ausstellung stellt die Bildserien „Egungun“ (2018–2020) und „Homo Détritus“ (2020–2021) einander gegenüber und damit auch unterschiedliche Formen der Maskierung: Trachten des Ahnenkults aus der Republik Bénin und die Skulpturen aus Weggeworfenem des Künst­le­r:in­nen­kol­lek­tivs Ndaku ya, la vie est belle aus Kinshasa.

Die Egungun-Trachten, mit denen die Schau aufmacht, sind aus glänzenden Nieten und schwingenden Stoffbahnen zusammengesetzt, haben geschnitzte Holzskulpturen wie Affen, Panther oder wilde Hunde wie eine Krone auf dem Kopf und verdecken das Gesicht des – immer männlichen – Trägers.

Die Ausstellung

„From Mystic to Plastic“: Afrikanische Masken. Fotografien von Stéphan Gladieu, Museum Fünf Kontinente, München, bis 6. August

Ein strenger Geist unter Kauri-Muscheln

Kein Mensch soll hier in den rituellen Zeremonien rund um zentrale Ereignisse der Dorfgemeinschaft – Geburten, Krankheit, Tod – tanzen, wüten und Nicht-Initialisierte durch Stockhiebe oder Peitschenschläge traktieren, sondern ein Ahne.

Das Gesicht bedecken Kauri-Muscheln, die dicht an dicht auf ein Netzgewebe gesetzt sind und bei jeder Bewegung klappern. Das Gewand ist umso prunkvoller, je verdienter und höherrangig der verstorbene Verwandte zu Lebzeiten war. Besonders prachtvoll etwa ist die Maske des Igbalé Duro N’Kika, der den mächtigsten Großvater-Ahnen jeder Familie verkörpert: Er trägt eine pelzgesäumte Kluft in Purpur, die über und über mit Applikationen verziert ist.

Die Reise durch den Ahnenkult geht in Gladieus Fotografien in die Kunstwerke des Kollektivs Ndaku ya, la vie est belle über. Die zeigen bombastische, an moderne Superhelden erinnernde Kostüme. Der Homo Détritus ist mal aus Spiegeln, mal aus Kabeln, dann aus alten Gummireifen zusammengesetzt.

Der „Reifenmann“ beispielsweise hat keine Hände – eine bittere Anklage an die belgischen Kolonialherren, die lokalen Arbeitern die Hände abschnitten, wenn sie mit deren Produktivität unzufrieden waren. Einige der irrwitzigen skulpturalen Kostüme – etwa der aus Getränkedosen zusammengesetzte „Dosenmann“ – sind auch in der Münchener Schau zu sehen.

Der Flipflop-Mann sieht lustig aus – erinnert aber daran, dass weltweit rund sechs Milliarden Flipflops meist aus billigem Chinaplastik in Umlauf sind. Allein 60.000 der Billigschuhe wurden auf einer einzelnen Seychelleninsel im Jahr 2019 angespült. Das Künstlerkollektiv lässt eine irre Science-Fiction-Welt entstehen. Doch wie im Ahnenkult auch sind Frauen und ihre spezifischen Lebenswelten nicht abgebildet.

Von Neugier geleitet

Der Fotograf, der 1969 geborene und heute in in Boulogne-Billancourt lebende Stéphan Gladieu, versteht sich mehr als sozialer Chronist denn als Fotoreporter oder stiller Betrachter: Er lässt sich von seiner persönlichen Neugier leiten und bereiste, am liebsten allein, neben Afrika und Osteuropa auch den Mittleren Osten – Afghanistan, Iran, Irak, Israel, Ägypten, Pakistan – und Asien – dort Indien, Nepal, Vietnam, China. Neben der Land- und Stadtbevölkerung porträtiert er Intellektuelle, Stars in Cannes und Politiker.

Stéphan Gladieu fotografierte den Reifen-Mann der Gruppe Ndaku ya, la vie est belle aus Kinshasa Foto: Stéphan Gladieu

Anders als ein Reporter setzt der Autodidakt seine Motive sorgfältig in Szene, achtet minutiös auf Licht und Inszenierung, anstatt sie und sich dem Moment auszuliefern. Seine Hauptdarsteller fängt er mit der Kamera ein in ihrem natürlichen Umfeld, doch ist die Komposition des Hintergrundes nie zufällig, sondern immer sorgfältig drapiert.

Und anders als ein Beobachter, der samt Kamera mit der Umgebung verschmelzen würde, stellt er viele Fragen – offenbar zu viele für den König der Porto Novo. Das Resultat sind ikonische, starre Inszenierungen, die einen komponierten Moment in satten Farben buchstäblich einfrieren.

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