„Szene mit klarer Agenda“

Mareike Fenja Bauer forscht zu politischen Influencerinnen auf Tiktok

Interview Dinah Riese

taz: Frau Bauer, Sie forschen zu antifeministischen Influencerinnen auf Tiktok. Wenn ich mir das Profil einer solchen Person anschaue: Was sehe ich da?

Mareike Fenja Bauer:Das kann sehr unterschiedlich sein. Ein typisches Beispiel wäre: Die Person filmt sich beim Kochen. Sie ist, mit einem schicken Kleid zurechtgemacht, in der Küche und suggeriert, dass sie hier Einblicke in ihr privates Alltagsleben erlaubt – dabei ist alles hochgradig inszeniert. In der Beschreibung des Posts steht so etwas wie: „Hey, ich bin total gerne Hausfrau und Mutter!“ Das allein wäre noch nicht unbedingt antifeministisch. Aber dazu kommen subtilere Elemente, etwa ein Hashtag wie #FemininityNotFeminism oder #TradWife. Im Ganzen betrachtet vermittelt der Post ein traditionelles Frauenbild und suggeriert, Weiblichkeit stehe im Gegensatz zu Feminismus.

Wer ist die Zielgruppe?

Tiktok wird vor allem von jungen Leuten bis 25 Jahre genutzt und ist besonders beliebt bei Frauen. Erreicht werden sollen junge Frauen, die sonst gar nicht unbedingt an rechten oder reaktionären Botschaften interessiert wären. Viele antifeministische Influencerinnen versuchen auf subtile Art, ihr Publikum mit ihrem Weltbild zu prägen. Es ist eine Art Türöffner, und der Algorithmus spielt ihnen in die Hände.

Inwiefern?

Foto: Philipp Plum

Mareike Fenja Bauerpromoviert an der European New School of Digital Studies zu antifemi­nistischen Influence­rinnen.

Wenn ich auf Tiktok ein paar solcher Accounts folge, dann rutschen mir automatisch immer mehr davon in den Feed. Nach und nach kommen dann auch Profile mit radikaleren Positionen rein. Die Influencerinnen nutzen die Funktionsweise von Tiktok. Sie gehen auf aktuelle Trends ein wie das Zeigen der angeblich persönlichen Morgenroutine, beliebte Hashtags oder Filter, und der politische Moment passiert versteckt. Es wird Lifestyle vermarktet – aber der trägt eine politische Message.

Sind das Einzelpersonen?

Wir reden über eine Szene mit einer klaren Agenda, die aber oft nicht offengelegt wird. In vielen Profilen ist zum Beispiel nicht ersichtlich, wenn die In­ha­be­r*in­nen in rechten Organisationen aktiv sind. Es gibt ganz klare Überschneidungen – ideologisch wie auch personell – mit Pick-up-Artists oder Maskulinisten, aber auch mit organisierten Rechten und extremen Rechten. Die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative sind zum Beispiel sehr aktiv auf Tiktok.