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Man trinkt Crémant

Frau hat Gäste, und Teresa Präauer spielt die Möglichkeiten durch: „Kochen im falschen Jahrhundert“

Von Frank Schäfer

Ein Abendessen mit Freunden. Die Gastgeberin weiht ihre neue Wohnung ein, ihr Partner ist dabei, ein Ehepaar und ein Professor aus der Schweiz. Die kleine Gesellschaft entstammt dem urbanen Intellektuellenmilieu und agiert entsprechend, trinkt Crémant, isst einen leichten Sommersalat, eine Quiche und beackert die Themen, die in der Lebenssituation dieser wohlsituierten Frühvierziger anstehen – das Ehepaar hat kürzlich ein Kind bekommen, der Schweizer gibt sich klassenkämpferisch, die Gastgeberin hat ihre Umzugskartons immer noch nicht ausgepackt und macht deshalb eine Therapie, man ist kosmopolitisch, feministisch auf dem letzten Stand und hört Salon-Jazz.

Teresa Präauer: „Kochen im falschen Jahrhundert“. Wallstein Verlag, Göttingen 2023, 200 Seiten, 22 Euro

Es sind Typen, die Präauer hier auftreten lässt. Dafür spricht, dass sie ihren Protagonisten keinen Namen gönnt und dass sie ihre leicht mokant und zumeist in indirekter Rede dargebotenen Eitelkeiten, Bosheiten und Distinktionsgefechte allgemein genug anlegt, dass man sich oder wenigstens die anderen darin wiedererkennt. „Kochen im falschen Jahrhundert“ hält die Waage zwischen realistischer Milieuskizze und entlarvender Satire und wäre ein bisschen wohlfeil und überraschungslos, wenn es nur darum ginge.

Einmal scheitert der Abend, einmal wird es ein Fest der Freundschaft mit erotischen Spannungen

Aber das wirklich Interessante passiert hier auf der formalen Ebene. Präauer spielt wie bei einer naturwissenschaftlichen Versuchsreihe diese gesellschaftliche Standardsituation – eine Frau bekocht ihren Freundeskreis – immer wieder neu durch, mit leicht veränderten Voraussetzungen, die dann stets Wirkungen zeitigen auf den Verlauf des Abends. Einmal trifft der Schweizer pünktlich und ausgehungert ein, ein andermal verspätet er sich mit dem Ehepaar und sie haben bereits gegessen. Einmal scheint der Abend an den kontroversen Ansprüchen zu scheitern, ein andermal wird es ein Fest der Freundschaft und am Ende entladen sich die erotischen Spannungen. Es ist ein artifizielles Spiel, in dem sich die einzelnen Variationen ineinanderschieben und durch Reprisen und Wiederholungen verflechten – und auch anfängliche Randfiguren später noch einmal ihren Auftritt haben, damit die narrative Symmetrie stimmt.

Dass Präauer dann auch noch soziologische Reflexionen zum Kochen anstellt und ihrer Gastgeberin unterschiebt, wirkt ein bisschen aufgesetzt. „An den Gegenständen haftete der Selbstentwurf, die Einbindung in die Gesellschaft. Die Familienverhältnisse, das Sich-Lossagen und das Erinnern und Nicht-Loskommen.“ Da verwandelt sich die fein ironische, von Ferne an Thomas Bernhard erinnernde ­Suada in einen humorlosen Essay.

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