die dritte meinung
: Auch Gewerkschaften fänden die 4-Tage-Woche gut – aber nicht bedingungslos, sagt Norbert Reuter

Nur noch vier Tage pro Woche arbeiten? Hört sich gut an! Erst recht, wenn Studien aus anderen Ländern zeigen, dass dies sogar ohne Lohnverlust möglich sei. Müssten da nicht gerade die Gewerkschaften sofort mitmachen? Der Teufel steckt aber auch hier im Detail.

Denn entscheidend ist die konkrete Umsetzung. So lässt in Deutschland das Arbeitszeitgesetz aus guten Gründen des Gesundheitsschutzes im Durchschnitt nur acht Stunden Arbeit pro Tag zu. Bei einer 4-Tage-Woche wären also maximal 32 Stunden pro Woche möglich. Das würde eine Arbeitszeitverkürzung von rund 20 Prozent erfordern, da Vollzeitbeschäftigte heute in der Regel 40 Stunden pro Woche arbeiten. Ohne vollen Lohnausgleich könnten sich das aber nur Besserverdienende buchstäblich „leisten“ – und das nicht erst, seit die Inflation so hoch ist.

Es würde also weniger gearbeitet und Arbeitgeber müssten zur Einkommenssicherung rund 20 Prozent höhere Stundenlöhne zahlen. Das ginge laut der eingangs erwähnten Studien auch, da die Beschäftigten in kürzerer Zeit das Gleiche leisten würden. In einzelnen Unternehmen und Berufen mag das auch ganz oder teilweise möglich sein. Im überwiegenden Teil der Dienstleistungsbranchen aber gerade nicht – man denke nur an den wachsenden Pflege-, Bildungs- oder Kitabereich. Damit fehlt der 4-Tage-Woche aber bereits der viel gepriesene Win-win-Charakter. Denn wo sind die Arbeitgeber, die mal eben 20 Prozent höhere Stundenlöhne zahlen? Wie massiv der Widerstand der Arbeitgeber bereits gegen Lohnerhöhungen von wenigen Prozent ist, zeigen die aktuellen Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post AG und im öffentlichen Dienst.

Norbert Reuter

ist Leiter der Tarifpolitischen Grundsatz­abteilung der Verdi-Bundesverwaltung .

Ein für alle gleichermaßen „perfektes“ Arbeitszeitmodell kann es nicht geben. Am Ende geht es darum, wie die gesellschaftlich notwendige Arbeit sichergestellt wird, die Beschäftigten gut mit ihrer Arbeit klarkommen, dabei gesund bleiben und ein Einkommen erzielen, von dem sie gut leben können. Da dürfte sich die 4-Tage-Woche nicht als „One Size Fits All“-Modell herausstellen.