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Sportlich auferstanden

Die deutschen Skisprungteams holen bei der WM ein Edelmetall nach dem nächsten. Nach diversen Krisen geraten nun alle ins Schwärmen

Aus Planica Lars Becker

„Die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 der Welt sind wir.“ Immer wieder sangen Deutschlands Skispringerinnen diesen Song in der Skisprung-Arena von Planica. Zum ersten Mal war es nach dem historischen Einzel-Gold von Katharina Althaus zu hören gewesen, am Samstag konnten die deutschen Frauen dann nach dem souveränen Triumph im Teamwettbewerb den zweiten Weltmeistertitel feiern. Inspiriert davon holten danach fast sensationell Andreas Wellinger Silber und Karl Geiger Bronze im Einzelspringen der Männer. Eine sportliche Wiederauferstehung nach einer bislang enttäuschenden Saison samt Absturz bei der Vierschanzentournee. Deutschland wird damit die starke Gesamtbilanz der Heim-WM vor zwei Jahren in Oberstdorf (vier Medaillen/zweimal Gold) deutlich übertreffen.

„Das war weltmeisterlich. Die Jungs sind mit einer unglaublichen mentalen Stärke wahnsinnig gut Ski gesprungen“, schwärmte der sonst so zurückhaltende Männer-Bundestrainer Andreas Horngacher sichtlich berührt. „Katharina Althaus und die Mädels haben uns brutal geholfen. Die haben das durchgehämmert und die Jungs sind mitgegangen. Jetzt haben wir unser Minimalziel schon übertroffen.“ Besser war nur der Pole ­Piotr Zyla, der mit einem Schanzenrekord in einem verrückten Springen von Platz 13 nach dem ersten Durchgang noch die erfolgreiche Titelverteidigung schaffte.

„Die Ruhe behalten“

Von solchen Ergebnissen hätte nach einem der schlechtesten deutschen Tournee-Ergebnisse aller Zeiten niemand zu träumen gewagt. Nach dem Debakel war sogar der in den Vorwintern so erfolgreiche Chefcoach Horngacher massiv unter Druck geraten. „Nach der Tournee sind wir ziemlich ins Schwimmen geraten. Aber Stef hat die Ruhe behalten – großes Lob an die Trainer, sie haben uns super gecoacht“, schwärmte Karl Geiger.

„Wir haben nicht bei anderen gesucht, was sie besser machen, sondern uns gefragt: Was müssen wir besser machen? Woran fehlt es?“, fügte An­dreas Wellinger hinzu. Neben der perfekten Sprungform dürfte das Thema Sprunganzug dabei ein wichtiger Puzzlestein gewesen sein. Andere Top-Nationen sprangen zunächst größere Anzüge, was ihre Tragfläche in der Luft und damit die Erfolgschancen deutlich verbesserte – und zu Vorwürfen des Materialbetrugs führte.

Eine Krise gab es auch bei den deutschen Frauen, die 2021 im Jahr des Abschieds von Erfolgscoachs Andreas Bauer als Team den Kontakt zur Weltspitze verloren hatten. Mit dem neuen Bundestrainer Maximilian Mechler wurde ein Neuanfang gestartet und der Teamgeist gestärkt. „Wir haben uns alle gern. Jede macht das, was das Beste für sie ist, aber wir sind alle füreinander da. Und ab und zu machen wir auch mal Party zusammen“, erklärte Anna Ruprecht, die neben Althaus, Selina Freitag und Luisa Görlich den Team-Weltmeistertitel gewann.

„Wir haben einfach geiles Team, das sich gegenseitig unterstützt“, fügte Althaus hinzu. Das gilt auch sportartenübergreifend: Direkt nach ihrem Goldtriumph eilten die Skispringerinnen an die Langlaufstrecke und feuerten Kombinierer Julian Schmid auf dem Weg zu Einzel-Silber an.

Team-Weltmeisterin Ruprecht nutzte die große WM-Bühne an diesem Gold-Wochenende auch, um ein Tabu zu brechen. Wie zuvor Alpin-Weltstar Mikaela Shiffrin bei der WM sprach sie das Thema Monatszyklus und Regelschmerzen im Sport an.

„Wir sind so ein feinfühliger Sport. Und wenn es mal nicht so gut läuft, sollte man auch sagen können: Ich habe meine Tage.“ Das deutsche Trainerteam um Chefcoach Mechler gehe glücklicherweise sehr offen und „ul­tracool“ mit diesem Thema um: „Die sagen dann auch mal, dass wir uns mit einer Wärmflasche ins Bett legen können.“ Ein weiteres Mosaiksteinchen für den aktuellen Erfolg der deutschen Teams.

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