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Keinen Blumenstrauß

Düstere Mienen bei der SPD: Die Partei ist zwar nicht auf Platz 1 gelandet, hofft nun aber auf Platz 2

Von Uwe Rada

Der rote Blumenstrauß blieb zunächst auf dem Tresen stehen. Keiner hat ihn Franziska Giffey überreicht, als sie mit ihrem Co-Landesvorsitzenden Raed Seleh auf die Bühne des Festsaals Kreuzberg kam. Und als Giffey nach ihrer Rede zwölf Minuten später die Bühne verließ, stand der Blumenstrauß immer noch da.

Mit nahezu versteinerter Miene versuchte Berlins Regierende Bürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidaten die Genossinnen und Genossen im Saal auf ein neues Ziel einzuschwören. „Wir sind jetzt in einer Situation, in dem wir sagen müssen, es ist nicht Platz eins geworden“, so Giffey. „Wir wissen auch nicht, ob es Platz zwei geworden ist.“

Es gehe jetzt um die wichtige Frage, wer Platz zwei werde in Berlin. „Wer wird einen anderen Weg einschlagen als eine CDU-geführte Landesregierung. „Lasst uns jetzt Geduld haben“, forderte Giffey und erinnerte daran, dass die SPD nach den ersten Hochrechnungen im September 2021 sogar hinter den Grünen gelegen habe und nicht gleichauf mit ihnen wie am Sonntag bei der Wiederholungswahl.

Noch düsterer wurde die Miene Giffeys als ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh das Wort ergriff. Anders als Giffey gab er sich kämpferisch. Aber auch er hat den Schuss verstanden. „Lasst uns abwarten und die Nerven behalten“, rief Saleh. „Und lasst uns darauf hoffen, dass es in den nächsten Stunden reicht, auf Platz zwei zu kommen.“

Berlin, das ist auch aus den enttäuschten Gesichtern der im Festsaal Kreuzberg Versammelten abzulesen, steht nicht nur vor turbulenten Wochen der Koalitionsbildung. Auch die SPD ist nicht mehr die „Partei Willy Brandts“, von der Saleh zuletzt noch geredet hat. Sie ist nicht mal mehr die Hauptstadtpartei, als die sie sich selbst sieht. Zehn Punkte lag sie nach den ersten Hochrechnungen hinter der CDU von Kai Wegner. Sollen die Grünen am Ende das Rennen um Platz zwei machen, könnte Giffeys politische Karriere zu Ende sein.

„Ein Weiter-so“ dürfe es nicht geben, kündigte die Noch-Regierende am Sonntag in ihrer knappen Rede an. „Wer regieren will, braucht eine stabile Mehrheit am Ende“, sagte sie und räumte ein, dass sich „die Berlinerinnen und Berliner die Dinge anders wünschen“.

Für die Mobilitäts- und Klimawende in der Stadt bedeutet das nichts Gutes. Mit der CDU hat eine Autopartei die Wiederholungswahl gewonnen. „Ein Weiter-so darf es nicht geben“ – das kann man auch so verstehen, dass eine Verkehrswende am Sonntag noch weiter in die Ferne gerückt ist.

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