Bei Rot gibts keine Kita

Kita-Beschäftigte in Hamburg sagen, dass sie den Bildungsanspruch nicht mehr einlösen können. Eine Notfall-Ampel in jeder Kita soll den Personalmangel transparent anzeigen

Ausgebrannt: Plakat auf einer Demon­stration von Kita- Beschäftigten in Hamburg im vergangenen Herbst Foto: Christian Charisius/dpa

Von Kaija Kutter

Als symbolischen Akt gaben am Montag Kita-Beschäftigte die seit 2005 gültigen „Hamburger Bildungsempfehlungen“ an die Bürgerschaft zurück. Die dort auf 112 Seiten dargestellte „hochwertige pädagogische Arbeit“ sei nicht mehr umsetzbar, heißt es in einer Erklärung des „Hamburger Kita-Netzwerks“, das sich hier an einer Aktion der Gewerkschaft Ver.di beteiligte. Um des Fachkräftemangels Herr zu werden, sollten alle Kita-Träger verpflichtet werden, „Notfallpläne“ zu installieren.

„In solchen Notfallplänen könnte man ganz klar festlegen, ab welcher Krankenzahl Öffnungszeiten eingeschränkt werden“, erläutert Netzwerk-Sprecherin Alexandra Balthasar. Theoretisch sei die Grundversorgung mit Personal in Hamburgs Kitas gar nicht so schlecht. „Das Problem ist die Realität“, sagt Balthasar. Die meisten Kitas könnten nicht alle Stellen besetzen. Hinzu kämen Ausfälle durch Krankheit, Urlaub, Fortbildung, Schwangerschaft und Langzeitkranke. „Es gibt schon Kitas, die ganz schließen, weil sie kein Personal haben.“

Die Idee solcher Notfallpläne kommt von Ver.di. „In vielen Einrichtungen steht das Personalbarometer auf Sturm“, sagt Gewerkschaftssekretär Michael Stock. Der Kita-Fachkräftemangel werde „von kaum jemandem mehr bestritten“. Darum hat die Gewerkschaft eine Art Ampel mit fünf Stufen entwickelt. Mit Farben von Grün und Grüngelb über Gelb und Orange bis zu Rot sollen Eltern einer Kita schon am Eingang über die aktuelle Personallage informiert werden. Grün bedeutet, dass alle da sind und das pädagogische Angebot nach Konzept stattfindet. Bei Rot ist so wenig Personal da, dass die Kita schließt. In den Farben dazwischen gibt es stufenweise Einschränkungen.

„Das Thema Leistungseinschränkungen wird uns weiter begleiten. Wir denken, dass ein offener Umgang damit sinnvoll ist“, sagt Stock. Die Notfallpläne sollten am besten in den Kitas mit den Beschäftigten vereinbart werden. Auch die Eltern gehörten informiert. Bei einigen Trägern gebe es diese Pläne schon, bei vielen aber auch nicht.

Das Netzwerk und Ver.di Hamburg fordern deshalb von Politik und Behörde, dass alle Träger verpflichtet werden, diese einzuführen. Man müsse davon wegkommen, sagt Balthasar, dass Kitas aus einem Konkurrenzgedanken heraus die Einrichtung offen lassen. In Hamburg werden solche Dinge in einer „Vertragskommission“ zwischen Sozialbehörde und Sozialverbänden vereinbart.

In der Behörde ist man schon im Bilde. „Die Forderung zur Einführung von Notfallplänen wird von uns geprüft“, sagt Sprecherin Stefanie Lambernd. Hamburg brauche in der Tat ständig neue Kita-Fachkräfte. Bis 2026 rechne man wegen der wachsenden Stadt mit einem Mehrbedarf von 200 Fachkräften im Jahr. Hinzu kämen jährlich 300 bis 500 Fachkräfte, die etwa wegen Renteneintritt ersetzt werden müssten. Die Stadt habe schon früh die Ausbildungszahl erhöht. Aufgrund der Statistiken gehe man nicht von einem „expliziten Fachkräftemangel“ bei Kitas aus. Gleichwohl nehme auch die Sozialbehörde eine starke Belastung der Kita-Mitarbeitenden wahr. Zu den Gründen zählten auch die Folgen „aktueller Krisen“. Man rede mit allen Beteiligten, um „Maßnahmen zu erarbeiten“.

Die Landeselternvertretung der Kitas (LEA) fände so eine Kita-Personal-Ampel gut. „Wir sind dafür, das es transparent wird, wenn keine frühkindliche Bildung stattfindet“, sagt LEA-Vorständlerin Ellen Piet­zarka. Zugleich befänden sich die Eltern im Zwiespalt. „Es wäre schlimm, wenn die Ampel auf Rot steht und sie ihr Kind nicht abgeben können. Das darf nicht passieren.“

Man müsse davon wegkommen, dass Kitas aus einem Konkurrenz­gedanken heraus die Einrichtung offen lassen

Skepsis äußern größere Sozialverbände. „Die letzten drei Jahre waren eine enorme Belastung für die Kita-Teams“, sagt etwa ­Beatrix Wildenauer-Schubert vom Paritätischen Hamburg. Gerade im Dezember und Januar seien sehr viele krank gewesen. Notfallpläne könnten ein Schritt sein, um mehr Sicherheit im Austausch mit Eltern zu schaffen, sie wären aber „nicht für alle Kitas gleichermaßen praktikabel“.

Zudem gebe es bereits seit Corona eine mit der Behörde abgestimmte „gute Praxis“, bei schlechter Personallage „individuelle Lösungen“ zu finden, so Wildenauer-Schubert. Das könnten eine Kürzung von Randzeiten, temporäre Gruppenzusammenlegungen oder, falls nötig, eine befristete Schließung von Gruppen oder kleinen Kitas sein. Die gut 350 Kitas des Paritätischen gingen mit solchen Notfällen „sehr verantwortungsvoll“ um.

„Die Personallage ist sehr eng“, sagt auch die Kita-Referentin der Diakonie Hamburg, Mirjam Nadolny. Auch die evangelischen Kita-Träger machten sich deshalb über Notfallpläne Gedanken oder müssten sie bereits umsetzten. Vorgaben der Politik, solche Notfallpläne bei allen Trägern verpflichtend einzuführen, sehe die Diakonie aber skeptisch, da dies zu „Überregulierung“ führen könne. Wichtiger sei, dass die angespannte Personallage in den Kitas „von der Sozialbehörde als solche ­anerkannt und auch gegenüber den Eltern benannt wird“.