In der Wüste Gobi: Zentralheizung ist ein Privileg

Es ist wunderschön und windig in der Wüste der Mongolei – und kühl. Für unsere Kolumnistin ein Anlass, über Lebensgewohnheiten nachzudenken.

Eine Jurte in der Wüste

Eine Jurte in der Wüste Gobi Foto: Cavan Images/imago

Sobald der Kamel-Dung ausgebrannt ist, wird es kalt in der Jurte. Der Ofen in der Mitte des mongolischen Zeltes dient eher als Einschlafhilfe denn als Nachtwärmer. Es ist September in der Gobi-Wüste, wir sind auf einem organisierten Treck im Jurtendorf, einem Paradebeispiel für den boomenden sogenannten authentischen Tourismus.

Mit Eimerdusche, Kamelzug und eben mit echtem Frieren. Ich mochte die Wüste immer. Sie ist furchteinflößend und ruhespendend zugleich, erbarmungslos und friedlich; eine dieser Regionen, die in der Realität viel beeindruckender sind als auf Fotos – im Gegensatz zum Palmenstrand, der auf Fotos immer besser aussieht als in der öden Realität.

Die Gobi ist im September von einer leichten Grasdecke bewachsen, keine Bilderbuchsandwüste, sondern so divers, wie Wüsten in Wahrheit sind: mit weiten Steppen, Steinlandschaften und kleinen Flecken Vegetation, mit braunen Felsen und scheuen Gazellen, nur Punkte am Horizont. Es ist wunderschön, windig und kühl. Bald wird der erste Schnee fallen, mongolische Winter sind berüchtigt.

Ich glaube, es gibt eine Sache, die die meisten Deutschen nicht wissen: wie gewöhnlich für Menschen im Ausland das Frieren in der eigenen Behausung ist, ein Winter ohne jegliche Wärmepause für den Körper. Gerade in den Regionen der Welt, wo warme Sommer herrschen.

Sommer um 45 Grad, eisige Winternächte

Selten habe ich etwa so gefroren wie bei Freun­d:in­nen am Rand des marokkanischen Atlas-Gebirges im Winter, in bescheidenen Häusern ohne Heizung. Vieles eine Frage der Gewöhnung, die kleine Tochter lief barfuß durch den Raum. Und dennoch, jährlich erfrieren im Atlas vor allem Menschen in Armut in ihren Häusern. Auch die Anforderungen an den Körper in einem Lebensraum wie der Wüste sind enorm: Sommer um die 45 Grad, eisige Winternächte.

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Zentralheizung ist ein Privileg, das nur die wahrnehmen, die das Leben ohne kennen. Selbst in Südeuropa fehlt sie oft, da friert man eher kulturell trotzig statt aus Mangel; die Klimaanlage auf 32 Grad tut es auch. „Winter ist hässlich“, sagt die Nachbarin in Italien gern, die Lösung ist der Frühling.

Tou­ris­t:in­nen wissen dank des „Beste Reisezeit“-Buttons meist wenig davon, wie Herbst und Winter sich wirklich anfühlen. Es lohnt sich, diesen Horizont zumindest zu erfahren. In der mongolischen Hauptstadt Ulaan-Bator, der kältesten Hauptstadt der Welt, erleben wir auch, was der Kohleofen bedeutet: Im Herbst bringt er hier eine der höchsten Luftverschmutzungen der Welt, wir sind chronisch erkältet vom beißenden Smog. Es ist eine große Macht der wohlhabenden Reisenden, von der sie selbst kaum wissen: Sie können das Wetter kaufen.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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