Die Suche nach den Tätern läuft

38 Festnahmen in Zusammenhang mit Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht. Diskussion über rassistische CDU-Anfrage

Von Erik Peter

Die Ermittlungen nach den Angriffen auf Po­li­zis­t:in­nen und Rettungskräfte in der Silvesternacht laufen „mit Hochdruck“. Das sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag bei einer Sitzung des Innenausschusses, bei der sie den Einsatz mit insgesamt etwa 3.000 Beamten verteidigte. Die Gewalt, registriert wurden 49 Angriffe auf Polizei und Rettungskräftze, sei „nicht erwartbar“ gewesen.

Konzentriert werde sich derzeit auf die „Auswertung des umfangreichen Videomaterials“ aus eigenen Aufnahmen, Social Media und 100 Datenpakten mit Fotos und Videos, die der Polizei über ein Hinweisportal von Bür­ge­r:in­nen zugespielt wurden. Auch gelöschte Videos, in denen mit den Taten geprahlt wurden, hinterließen für die Polizei Spuren, so Slowik. Ein Tatverdächtiger sei bereits ermittelt worden. Eingesetzt würden sogenannte Super-Recognizer: Einsatzkräfte, die besonders darauf trainiert sind, Gesichter wiederzuerkennen.

145 Festnahmen

22 Verfahren mit 10 Tatverdächtigen sind laut Slowik bereits an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden. Die hat eine mit Großlagen und Fußballgewalt erfahrene Schwerpunktabteilung zur schnellen Bearbeitung der Verfahren eingesetzt. Insgesamt waren in der Silvesternacht 145 Personen vorübergehend festgenommen worden.

Über die Tatsache, dass sich darunter etwa ein Drittel deutsche Staatsbürger:innen, aber auch Menschen mit 17 anderen Nationalitäten befunden haben, war eine rassistische Debatte entbrannt. In einem vergangene Woche eingereichten Fragenkatalog wollte die CDU die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen wissen.

Dabei ist inzwischen klar: Nur 38 der Festnahmen stehen in Zusammenhang mit Angriffen auf Polizei oder Feuerwehr. Zwei Drittel jener vermeintlichen Tä­te­r:in­nen sind Deutsche, die Mehrheit ist jünger als 21 Jahre. Wie alle Red­ne­r:in­nen der Koalitionsfraktionen kritisierte der Grünen- Innenpolitiker Vasili Franco das Ansinnen der CDU. Er sagte: Eine Debatte über Vornamen „ist dieses Ausschusses nicht würdig“. Der Linke Ferat Kocak benannte eine Kundgebung der Nazi-Kleinstpartei 3. Weg am Montag auf der Sonnenallee als „Folge der rassistischen ‚Integrationsdebatte‘ der sogenannten bürgerlichen Parteien“.

Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) stellte sich auf Anfrage der taz gegen die pauschale Forderung, die Tä­te­r:in­nen möglichst schnell abzuurteilen und dafür das vereinfachte Jugendverfahren nach dem Neuköllner Modell zur Anwendung zu bringen: „Bei schweren Straftaten, mit denen wir es wohl bei den Silvester-Ausschreitungen zum Teil zu tun haben, braucht es umfangreiche Ermittlungen. Deshalb ist ein beschleunigtes Verfahren, bei dem eine Jugendstrafe droht, also eine Freiheitsstrafe für Jugendliche und Heranwachsende, nicht möglich.“ Gleichwohl sei es „aus erzieherischen Gründen sehr sinnvoll, wenn eine strafrechtliche Entscheidung schnellstmöglich auf die Tat erfolgt“.

Symbol für die Gewalt in der Silvesternacht: ausgebrannter Reisebus in Neukölln Foto: Markus Schreiber/ap

Im Innenausschuss präsentierte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ihre Ideen für Konsequenzen aus den Vorfällen, denn: „Ich benenne nicht nur Probleme, ich benenne auch Lösungsansätze.“ Aufrüsten möchte sie die Polizei nun mit Bodycams. Statt 300 Kameras zu Testzwecken will sie möglichst schnell 4.000 Stück anschaffen.

„Gegen Sachverstand habe ich nichts“, so Spranger, die damit einer verabredeten Evaluierung vorgreifen will. Bei ihren Koalitionspartnern Linke und Grüne stieß Spranger mit ihrer Idee auf Ablehnung.

Waffenrecht verschärfen

Weniger kontrovers in der Koalition ist hingegen der Wunsch, das Waffenrecht zu verschärfen und den Erwerb von Schreckschusswaffen und Munition an einen Kleinen Waffenschein zu koppeln. Diesem Wunsch hat sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeschlossen. Denkbar sei laut Spranger eine Flexibilisierung des Sprengstoffrechts für die Bundesländer. Faeser unterstützt die Idee, bestehende Strafmöglichkeiten bei der Verurteilung von Tätern konsequenter zu nutzen. Mögliche Strafrahmen würden von den Gerichten häufig „nicht ausgeschöpft“.