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Transrechte in DeutschlandZeit, dass es Sommer wird

Das Transsexuellengesetz soll im Sommer verschwinden. Derzeit ist es nur ausgesetzt. Der Wortlaut dieses Textes, der kürzlich noch galt, erschüttert.

Wer darf sich fortpflanzen? Foto: imago

Schwanger bin ich auch nicht“, versicherte der Pilot, der als Passagier im Weihnachtsflugzeug nach Italien vor mir saß, der Stewardess noch, nachdem sie sich darauf geeinigt hatten, dass er qua Beruf ja keine extra Einweisung für die Notausgangstür brauche. Ihr Kollege habe ihn das eben auch schon gefragt. „Ach, echt!?“, lachte sie. Pause. „Wobei, heutzutage gibt es ja alles!“. „Ja, stimmt eigentlich“, antwortete der Pilot. Mein Transphobie-Radar flackerte schon rot – etwas abgelenkt von der Information, dass Schwangere anscheinend die Notausgangstür nicht bewachen dürfen.

Aber irgendwas in der Interaktion der beiden war anders. Da war kein gehässiger Ton zu erkennen, der Versuch einen Witz zu machen zwar, aber diesmal war das eher ein Lernen im Witzeln.

Vielleicht bin ich zum Jahresende milder oder im Rückblick auf die Szene zum Jahresanfang auch einfach kurz utopisch gestimmt: Ich konnte den Austausch der beiden so stehen lassen, weil aus ihm so deutlich die Erkenntnis sprach, dass es eben Männer gibt, die schwanger werden. Und auch, weil der Kollege, der den Pilot wohl direkt gefragt hatte, ob er schwanger sei, in dem Moment für mich Teil einer Zukunft wurde, in der einfach alle, die an einer fliegenden Notausgangstür sitzen, gefragt werden, ob sie schwanger sind, egal, welches Gender ihr Gegenüber wahrnimmt.

Erinnern wir uns, dass der OP- und Sterilisationszwang für trans* Personen, wie er im Gesetz (TSG) eingeschrieben ist, erst im Januar 2011 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, da er gegen die Menschenwürde verstößt und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit widerspricht. In ganz einfachen Worten: Wer offiziell transitionieren und den Personenstand ändern wollte, der:­dem wurde das Recht auf Reproduktion entzogen.

Politik in Fußnoten

Es wird wohl bis zum Selbstbestimmungsgesetz, das das TSG im Sommer ablösen soll, dauern, bis die Zwangsvoraussetzung der „dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit“, die der medizin- und menschenrechtliche Preis für eine Transition war, auch offiziell aus dem Wortlaut abgeschafft wird.

Derzeit ist sie nur ausgesetzt. Im Paragraf 8 des TSG ist die Bedingung weiterhin aufgelistet, aber laut einer autokorrektiven Ergänzung in den Fußnoten nicht anwendbar. Diese andauernde Präsenz der Regelung im Gesetzbuch ist mehr als Paragraphen-Staub im Archiv des kollektiven Gedächtnisses. Sie transportiert nicht nur die Botschaft, dass trans* Männer und trans* Frauen mit allen Mitteln daran gehindert werden müssen, leibliche Kinder zu bekommen, sondern sie zeugt davon, dass es bis vor fünf Minuten institutionell legitimiert war, gegen die reproduktiven Rechte von trans* Menschen zu verstoßen.

In Schottland und Spanien sind die Versuche, die Ausgänge aus der Zweigeschlechterordnung mit aller Macht zu versperren, gerade gescheitert und Selbstbestimmungsgesetze beschlossen worden. Zeit, dass es Sommer wird.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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2 Kommentare

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  • Die Lage in Schottland wird leider trotz der Gesetzesänderung prekär bleiben - trans Personen werden im UK mit oft über 5 Jahre langen Wartezeiten auf ein Erstgespräch (!) gefoltert. Die Hormontherapie privat durchführen zu müssen ist dort leider Standard, wer es sich leisten kann, fliegt für OPs ins Ausland. Wem das Geld für eine private Hormonbehandlung fehlt, endet oft als ein weiterer Suizid, weil ein Leben im falschen Geschlecht nun mal nicht erträglich ist.



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    In Deutschland ist die Lage zum Glück nicht ganz so arg - in meinem Alltag sowieso nicht, die allermeisten Transfeinde, die online so laut sind, trauen sich nicht mehr, als mich dumm anzuglotzen, wenn ich durch meine bloße Existenz ihr kleines, festgefügtes Weltbild ins Wanken bringe. Ehrlich gesagt merke ich offline eher Anteilnahme und Neugier als diesen ganzen Irrsinn, der mir im Internet entgegenschlägt. Niemand hat Verständnis für das TSG, wenn ich das ekelhafte Prozedere im Detail erkläre, das löst nur Kopfschütteln aus.

    Aber auch hier haben wir Feinde in der Politik (und Publizistik), die mit blanker Verzweiflung daran festhalten, uns ohne irgendeinen triftigen Grund nach Herzenslust schikanieren und gängeln zu dürfen. Das Selbstbestimmungsgesetz sollte bspw. eigentlich schon Ende letzten Jahres beschlossen sein. Ich habe meine Zweifel, dass die ständige Verzögerung wirklich an den angeblich noch zu klärenden juristischen Fachfragen liegt - das TSG mit seinen nirgendwo sonst im deutschen bürgerlichen Recht zu findenden Kontrollzwängen (bspw. gleich zwei Gutachtern, die man natürlich aus eigener Tasche zahlen muss, damit sie einem bescheinigen, dass man aber auch wirklich ernsthaft trans ist) ist juristisch schon längst unhaltbar und es gab bereits in der letzten Legislaturperiode fertig ausgearbeitete Entwürfe für ein Selbstbestimmungsgesetz von Grünen und FDP, die am Widerstand von Schwarz-Rot gescheitert sind. Ich werde das Gefühl nicht los, dass da jemand in der Koalition immer noch mauert.

    • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      Das frische Interview mit Marco Buschmann in der Zeit bestätigt leider diesen Eindruck. Zum Beispiel Saunaverbote rechtlich abzusichern, scheint gerade Priorität zu sein.