: Wer hat Angst vorm bösen Meyer?
Vollzieht der neue grüne Umweltminister Christian Meyer in Niedersachsen nun eine Kehrtwende in der Wolfspolitik? CDU und Jäger befürchten das
Von Nadine Conti
Nun ist es also amtlich: Das 30 Jahre alte Pony „Dolly“ der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist von einem Wolf gerissen worden. Schon Anfang September ist das Tier auf der Weide angegriffen worden, jetzt bestätigt das niedersächsische Umweltministerium das Ergebnis der genetischen Analysen. „Täter“ soll ein Rüde mit der Bezeichnung GW950m sein, der mit seinem Rudel in der Nähe von Burgdorf unterwegs ist und auch für andere Risse verantwortlich gemacht wird.
Interessant ist das vor allem deshalb, weil der Wolf auch auf EU-Ebene mal wieder zur Debatte steht. Ende November hat die konservative Mehrheit im EU-Parlament eine Resolution verabschiedet, mit der die EU-Kommission aufgefordert wird, den Schutzstatus des Wolfes zu überprüfen. Der sei doch nun gar nicht mehr vom Aussterben bedroht, argumentieren die.
Gleichzeitig läuft in der EU aber immer noch ein Pilotverfahren gegen Deutschland, weil man den Verdacht hat, dass hier Abschussgenehmigungen erteilt wurden, die mit dem EU-Recht nicht vereinbar sind. Das gilt auch und insbesondere für Niedersachsen.
Und hier sind die Karten ja auch gerade neu gemischt worden. Der neue Umweltminister Christian Meyer (Grüne) zählte zu den größten Kritikern der Wolfspolitik seines Vorgängers Olaf Lies (SPD). Als Oppositionspolitiker zog er sogar vor den Staatsgerichtshof, um die Geheimniskrämerei des Umweltministeriums rund um die Abschussgenehmigungen zu unterbinden. Mit Erfolg. In der Folge wurde gegen mehrere Abschussgenehmigungen geklagt und diese teilweise von den Gerichten kassiert.
Dazu zählte auch die Abschussgenehmigung für einen „Problemwolf“ in Ostfriesland. Der gehört zum Friedeburger Rudel und wird für insgesamt sieben gerissene Rinder verantwortlich gemacht. Die Abschussgenehmigung des Umweltministerium umfasste aber nicht nur den per Gentest identifizierten Rüden, sondern erlaubte auch, andere Tiere des Rudels zu töten. Das ist eine Praxis, die Lies immer wieder verteidigt hatte, weil eine ganz präzise Identifizierung dieses einen „Problemwolfes“ in der (Jagd-)Praxis oft gar nicht möglich ist.
Dagegen klagte der „Freundeskreis freilebender Wölfe“. Und das Verwaltungsgericht Oldenburg gab ihm Recht. Das Gericht hielt die Genehmigung für zu weit gefasst. Unter Olaf Lies legte das Umweltministerium noch Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg ein, unter Christian Meyer zog es den Antrag zurück.
Für viele Wolfsgegner in den Reihen der CDU, der Jäger und Weidetierhalter bestätigte dies, was sie befürchtet hatten: Eine Kehrtwende in der Wolfspolitik. Mit konkreten Ankündigungen hält sich Meyer aber noch zurück – immerhin hatte er in den ersten drei Wochen seiner Amtszeit ja auch noch genug andere Baustellen zu bearbeiten, vor allem als Energieminister.
Christian Meyer, grüner Umweltminister in Niedersachsen
Er setze auf einen Neuanfang im Dialog, verkündet Meyer, unter anderem auf Facebook. Es freue ihn, dass es sowohl von Landwirtschafts- als auch von Umweltseite in dieser Hinsicht positive Signale gebe. „Für Hass und Hetze aller Seiten ist hier kein Platz. Wir müssen Weidetierhalter unterstützen, bei ihrer wichtigen Arbeit für den Naturschutz und wir brauchen mehr Vernunft und Sachlichkeit beim Wolf ohne ideologische Scheuklappen.“
Gleichzeitig verweist er darauf, dass die Risszahlen laut Wolfsmonitoring in den vergangenen drei Jahren gesunken sind – obwohl die Anzahl der Wölfe in Niedersachsen weiter stieg. Meyer führt das auf bessere Herdenschutzmaßnahmen zurück – die predigt er ohnehin seit Jahren.
Die Landesjägerschaft äußerte allerdings gleich Zweifel an den Zahlen, obwohl sie sie selbst erfasst hat. Der Präsident der Landesjägerschaft und langjährige CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke erklärte gegenüber der dpa, der Minister ignoriere einfach, dass sowohl die Weidetierhaltung insgesamt zurückgegangen sei, als auch die Meldebereitschaft der Betroffenen. Diese sähen sich zunehmend Angriffen ausgesetzt, wenn sie Risse öffentlich machten.
Naturschützer vermuten einen anderen Grund hinter der Dunkelziffer: Entschädigungen gibt es nur, wenn die Tiere hinreichend geschützt waren. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es auch kaum Gründe für die Meldung.
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