Mehr Schutz für queere Menschen

Die Ampelregierung will mit einem Aktionsplan die Rechte von LGBTIQ+ stärken. Dafür soll das Grundgesetz geändert werden. Dennoch gibt es auch Kritik an dem Plan

Nach dem Willen der Ampel soll das Grundgesetz um ein „explizites Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität“ erweitert werden Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Von Nicole Opitz

Verbände wie Po­li­ti­ke­r:in­nen haben mit Lob und Kritik auf den Aktionsplan der Bundesregierung gegen queerfeindliche Gewalt reagiert. „Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss beginnt endlich der von der Ampelregierung im Koalitionsvertrag versprochene queerpolitische Aufbruch der Bundesregierung“, so Patrick Dörr, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) in einer Stellungnahme. „Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung die angekündigten Maßnahmen jedoch nicht mit ausreichenden neuen finanziellen Mittel unterlegt“, heißt es weiter. Auch die zeitliche Umsetzung müsse klarer festgelegt werden.

Kritik gab es auch von der Linken: „Ich erwarte vom Bund, dass Selbstbestimmungsgesetz und nationaler Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit zügig realisiert werden. Dass beide Vorhaben derart lang auf sich warten lassen, ist angesichts umfangreicher Zuarbeiten aus den Communitys völlig unverständlich“, so Claudia Engelmann, Abgeordnete für die Linke in Berlin.

Am Freitagmittag wurde der Aktionsplan „Queer leben“ für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Kabinett beschlossen. Der bundesweit erste Aktionsplan dieser Art soll Queerfeindlichkeit entgegenwirken und die Rechte von LGBTIQ+ stärken.

„Dieser Tag ist historisch“, sagte Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung. Die Bundesregierung sende damit „ein starkes, auch internationales Signal“. Die Maßnahmen des Aktionsplans gliedern sich in sechs Teilbereiche, darunter rechtliche Anerkennung, Sicherheit, Gesundheit und die Stärkung von Communitystrukturen.

Konkret soll beispielsweise der Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes um ein „explizites Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität“ erweitert werden. Dafür wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat notwendig. „Es gibt im Bundestag schon eine breite Mehrheit“, sagt Lehmann. „Ob es für eine Zweidrittelmehrheit reicht, ist die andere Frage. Gespräche dazu laufen gerade noch.“

Im Aktionsplan ist auch eine Reform des Abstammungs- und Familienrechts vorgesehen – sodass ein Kind, das in die Ehe zweier Frauen geboren wird, automatisch zwei rechtliche Mütter hat und nicht wie bislang adoptiert werden muss. Das Regenbogenfamilienzentrum München äußerte zu diesem Punkt jedoch die „große Sorge, dass die groß angekündigte Reform des Abstammungsrechts für Regenbogenfamilien lediglich Regelungen für verheiratete Frauenpaare vorsieht“.

Das teilweise verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) soll durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden, das die Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich machen soll. Für trans und inter Personen, die in der Vergangenheit durch die Gesetzgebung Körperverletzungen durchlebten und Zwangsscheidungen vollziehen mussten, wird ein Entschädigungsfonds eingerichtet. Um die Situation von queeren Verfolgten zu verbessern, soll in Asylverfahren neu bewertet werden, ob bei einer möglichen Rückkehr Verfolgung droht. Auch eine Rechtsberatung für queere Geflüchtete soll eingeführt werden.

Auch die Erinnerungskultur zur Verfolgung queerer Menschen soll gestärkt werden

Generell wird im Aktionsplan die lückenhafte Datenlage bemängelt. Sieben Forschungsprojekte sollen deshalb die Datenerfassung zu Lebenssituationen und Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+ verbessern. Auch die Erinnerungskultur soll gestärkt werden, wie die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit.

Verschiedene Maßnahmen sollen zudem queerfeindliche Gewalt verhindern: etwa eine bessere Erfassung von queerfeindlichen Übergriffen, die Prüfung eines Gesetzes gegen digitale Gewalt oder Fortbildungen für Beteiligte eines Asylverfahrens. Im Bereich Gesundheit sieht der Aktionsplan unter anderem die Zulassung von queeren Männern sowie trans Personen zur Blutspende vor.

Nach dem Kabinettsbeschluss soll der Aktionsplan „Queer leben“ nun priorisiert werden. Anfang nächsten Jahres soll dieser Prozess starten.

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