Kinoempfehlungen für Berlin: Auf das Machbare beschränkt
Die Doku „Heimatkunde“ erforscht die individuellen Erinnerungen an die Schulzeit in der DDR. „Unsere Herzen, ein Klang“ das gemeinsame Singen.
S ingen in Chören, das machen Millionen von Menschen weltweit. Es ist also beileibe keine elitäre Beschäftigung, der sich Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier in ihrem Dokumentarfilm „Unsere Herzen, ein Klang“ widmen.
Der Film folgt drei Protagonis:innen, die das Chorsingen und -leiten professionell betreiben: Der Brite Simon Halsey ist einer der renommiertesten Chordirigenten weltweit, Judith Kamphues arbeitet als Sängerin und Gesangspädagogin, und die aus Südkorea stammende Hyunju Kwon gilt als vielversprechende Nachwuchs-Chordirigentin.
Und obwohl sich der Film für die Protagonist:innen und ihre vielfältigen Aktivitäten entsprechend Zeit nimmt, ist der Ansatz doch viel breiter gewählt. Denn Striegnitz und Dobmeier geht es letztlich weniger um ein Musiker:innen-Porträt als vielmehr um die Frage, warum Menschen so gern im Chor singen.
Hier wird mit Kindern, Laien und Profis gesungen, man erhält Einblicke in Proben, Unterrichtsituationen und ein Online-Mitsingkonzert. Profis wie Halsey und Kamphues wissen dabei um die notwendige Mischung aus Ernst und Humor, die für entspannte Stimmung sorgt; im Mittelpunkt steht stets die gemeinschaftliche Aktivität und natürlich auch die Interaktivität, der Austausch beim gemeinsamen Musizieren.
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Umso schlimmer traf alle Beteiligten die Covid-Pandemie, die genau das für eine Weile nicht mehr ermöglichte. Denn Singen per Zoom-Konferenz – das ist weder besonders melodisch noch menschlich befriedigend (20. 11., 17 Uhr, Moviemento).
„In den Parteiveranstaltungen haben wir alle ja gesagt. Im Alltag haben wir uns dann auf das Machbare beschränkt.“ So formuliert ein ehemaliger Schulleiter seine Erinnerungen an das Schulsystem der DDR und findet die Erziehung zu Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auch heute noch völlig korrekt.
Andere Ex-Lehrer:innen und -Schüler:innen, die Regisseur Christian Bäucker in einem ehemaligen Schulgebäude im brandenburgischen Bärenklau vor der Kamera für seinen Film „Heimatkunde“ erzählen lässt, sehen die damalige Ausbildung zur sozialistischen Persönlichkeit allerdings deutlich differenzierter. Ein kluges Forschungsprojekt zur individuellen Erinnerung, die gleichwohl eine Gesellschaft formt (21. 11., 20.45 Uhr, 23. 11., 17.45 Uhr, Kino Krokodil).
Auch wenn der 1939 im französischen Exil entstandene „Sans lendemain“ nicht zu den ganz großen Werken von Max Ophüls gehört, zeigt er doch recht schön, wie Ophüls seine Filme als Mischung aus Schauspieler:innenkino und Stimmungsbild anlegte.
Die Story entspringt dabei eher einem melodramatischen Groschenroman: Eine Prostituierte (Ewige Feuillière) entwirft für einen ehemaligen Geliebten und Immer-noch-Bewunderer, der von ihren aktuellen Lebensumständen nichts ahnt, eine bürgerliche Scheinwelt, um ihn dazu zu bewegen, sich um ihren achtjährigen Sohn zu kümmern und ihm eine gute Zukunft zu bieten. Am Ende stehen Verzicht und Melancholie.
Die Vorbereitung zum Film habe laut Regisseur darin bestanden, dass er mit Feullière durch das nächtliche Paris gefahren sei, man habe schweigend in Cafés gesessen, aus den Fenster gesehen und die Stimmungen in sich aufgenommen. Zum Film gibt es einen Vortrag von Inga Pollmann („The Image as Affective Milieu: Mood, Medium and Environmental Aesthetics“), der Eintritt ist frei (22. 11., 18 Uhr, Kino Arsenal).
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